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Selbstbewußtsein – von der Negation zur Position
Was Bewußtsein ist, sei – sagt man – eine schwer oder nicht zu beantwortende Frage. Philosophen
und Psychologen, auch Soziologen der ganzen Welt treffen einander immer wieder zu
Kongressen und sind sich doch in einem klar: nicht zu wissen, was Bewußtsein „wirklich“ ist.
Die folgenden Überlegungen versuchen, eine Antwort auf die angeblich unbeantwortbare
Frage zu geben. Dabei wird pragmatisch vorgegangen und in Argumenten innerhalb
des rationalphilosophischen Ansatzes geblieben, der freilich zum Ende der Überlegungen
transzendiert werden muß – weil Bewußtsein mehr ist als Rationalität und das Ganze
bekanntlich mehr als die Summe seiner Teile.
I. Der Baum der Erkenntnis - Erkenntnis und Wirklichkeit
Worin sich Menschen von den anderen Lebewesen unterscheidet, ist von allen Religionen
gleichermaßen erkannt worden: durch seine Erkenntnisfähigkeit und sein Selbstbewußtsein.
Aber: Was ist Erkenntnis? Und was ist Selbstbewußtsein? Was vor allem bedeutet Selbst?
Und noch dazu in Verbindung mit Bewußtsein?
„Erkenntnis“ meint im rationalphilosophischen Sinn – also in jenem Denken, das die begründende
Vernunft als (ausreichendes) Erklärungsmittel für die Phänomene der Welt ansieht –
das wissende Umgehen mit Phänomenen, die primär sinnlich aus unserer Um- bzw. Mitwelt
auf uns einwirken und unsere Wirklichkeit ausmachen.
(1) Unsere Erkenntnis ist unsere Wirklichkeit.
Und:
(2) Unsere Wirklichkeit ist unsere Welt.
Was Bewußtsein ist, weiß – angeblich – niemand. Oder: Jeder glaubt es zu wissen. Jedenfalls
treffen aus der ganzen Welt Philosophen, Psychologen und Mediziner zusammen, um darüber
zu beratschlagen, was denn Bewußtsein eigentlich sei. Bisher ist man bei solchen Symposien
auf keinen grünen Zweig gekommen. Bewußtsein? Das ist angeblich ein nicht mehr weiter
hinterfragbares Phänomen – wie das Leben auch. Oder wie die Metapher Gott. Ohne Bewußtsein
aber ist …
Nichts?
Das geht freilich nicht, denn: Dem Nichts kommt Sein (im obigen Satz als Kopula „ist“ verwendet)
nämlich nicht zu. Heidegger1: „Das Nichts nichtet.“ Außerdem: Das Nichts ist ja nur
ein Begriff für unsere Totalabstraktion von allem, was ist. Und: Zur Abstraktion ist immer
Bewußtsein nötig, denn: In der Natur (außer in mit Bewußtsein ausgestattetem einzelnen, das
wir üblicherweise „tierisches und menschliches Leben“ 2 nennen) gibt es ja keine Abstraktion.
Die Natur (= alles Da-Seiende, also alles als Vereinzeltes Existierendes) ist ja stets konkret
da und niemals als abstrakter Begriff oder als eine Verallgemeinerung (Klasse, Ordnung).
Diese (Begriffe, Klassen, Ordnungen) haben ja erst wir – und zwar nur aufgrund unseres Bewußtseins
– geschaffen!
Was ist jetzt also ohne Bewußtsein, wenn nichts gar nicht sein kann?
Und was ist eigentlich Bewußtsein?
"Gott" und Bewußtsein
Vorerst versuchen wir es mit einer Analogie: Der erste Einleitungsabsatz bleibt vollinhaltlich
gültig, wenn wir den Begriff „Bewußtsein“ mit der Metapher „Gott“ ersetzen:
„Was Gott ist, weiß – angeblich – niemand. Oder: Jeder glaubt es zu wissen. Jedenfalls treffen
aus der ganzen Welt Philosophen, Psychologen und Mediziner (hier müßten wir jetzt verändern
auf Theologen) zusammen, um darüber zu beratschlagen, was denn Gott eigentlich sei.
Bisher ist man bei solchen Symposien auf keinen grünen Zweig gekommen. Gott? Das ist
angeblich ein nicht mehr weiter hinterfragbares Phänomen – wie das Leben auch. (Oder wie
die Metapher Gott …) Ohne "Gott" aber ist …
Nichts?“
Widersprüche treten bislang keine auf.
Im nächsten Absatz scheitern wir allerdings mit dem Ersetzen des Begriffs „Bewußtsein“
durch die Metapher „Gott“. Denn Gott abstrahiert ja angeblich nicht – zumindest ist aus allen Religionen nichts Einschlägiges bekannt. Gott „schöpft“ vielmehr … Und das ist ja wohl das Gegenteil von abstrahieren – oder?
1
Martin Heidegger (1889–1976), umstrittener deutscher Philosoph mit schwer verständlicher Kunstsprache und
oft diskutierter Nähe zum NS-Gedankengut.
2
Darüber, ob auch pflanzliches, bakterielles oder gar virales Leben Bewußtsein hat, wollen wir uns hier garnicht verbreitern. Die Forschung darüber ist jedenfalls in Fluß – die ursprünglich (rein religiös motivierte) strenge Grenze zwischen Mensch (dieser mit „Seele“) und Tier (jenes natürlich ohne!) ist jedenfalls nicht mehr aufrechtzuerhalten.
Genau genommen, ist „Seele“ kein biblisches Konzept („nefesch“ ist der Lebensatem, den Gott
dem Adam in die Nase bläst). Siehe zur Seele der Tiere daher Kohelet 3,20 f! „Unsterbliche Seele“ ist (wahrscheinlich ein aus Ägypten stammendes) über Pythagoras auf Platon und von dem auf uns gekommenes Konzept
Wir kennen keine andere. Was immer uns andere aus ihrer Welt erzählen: Das Gehörte oder Gelesene verändert sofort unsere Welt – sei es durch Bejahung oder Ablehnung.
Erster Einwand: Abstrahieren ist nicht das Gegenteil, sondern vielmehr identisch mit schöpfen!
Jeder Abstrahierende, also jeder, der vom einzelnen die alleine diesem eigenen Eigenschaften
abzieht oder über sie hinwegsieht, also den Akt (!)3 der Verallgemeinerung (oder
Begriffsbildung) vollzieht, „schöpft“ (= schafft) ja: Neues – den Allgemeinbegriff nämlich,
unter den er/sie ab jetzt diesem einzelnen Ähnliches subsumiert und damit den Prozeß des
Wiedererkennens überhaupt erst ermöglicht. Dieser schöpferische Vorgang wird „Klassifizieren“
der (von uns als zusammengehörig entschiedenen4) einzelnen genannt. Allgemeinbegriffe
(Klassen; in der Scholastik „Universalien“ genannt) existieren aber nicht per se (also durch
sich), sondern nur durch uns – und zwar aufgrund unserer Abstraktionsfähig- und -tätigkeit.
Wir schaffen (oder „schöpfen“) also – zwar keine Dinge (daß wir das sehr wohl tun, darauf
werden wir später in dieser Arbeit noch zurückkommen!), aber die sie bestimmenden
Allgemeinbegriffe
und bringen damit Ordnung in unsere Welt. Ohne unsere Allgemeinbegriffe
(Klassen, Spezies, Arten) fänden wir uns in der Welt gar nicht zurecht: Unsere Umwelt, der
Mesokosmos, wäre chaotisch; wir könnten gar nicht überleben, weil uns die Erfahrung (die
nur möglich ist aufgrund unserer selbstgeschaffenen Ordnungen) fehlte, und wir uns auf
nichts verlassen könnten: Jedes Erlebnis wäre uns neu und damit lebensgefährlich, weil wir
nicht wüßten – aufgrund unserer erlernten Ordnung bzw. Klassifizierung z. B. in „angenehm“,
„unangenehm“, „nützlich“, „tödlich“ –, wie wir uns jetzt verhalten sollten.
Wir wären „von allen guten Geistern“ (als Synonym für Ordnungen) verlassen. Es gibt sogar
einen Namen für ein solches Verhalten. Es ist eine Krankheit: Agnosie – Nicht-Erkennen.
Für Abstraktion ist daher Bewußtsein nötig, denn (und wir setzen jetzt mit dem 3. Absatz unserer
Einleitung fort): „In der Natur (außer in mit Bewußtsein ausgestattetem einzelnen, das
wir üblicherweise ‚tierisches und menschliches Leben’ nennen) gibt es ja keine Abstraktion.
Die Natur (= alles Da-Seiende, also als Vereinzeltes Existierende) ist ja stets konkret da und
niemals als abstrakter Begriff oder als eine Verallgemeinerung (Klasse, Ordnung). Diese (Begriffe,
Klassen, Ordnungen) haben ja erst wir – und zwar nur aufgrund unseres Bewußtseins –
geschaffen!“
Sein und Nichts
Vor unserem ersten Einwand haben wir noch argumentiert, daß wir „Bewußtsein“ im weiteren
nicht mehr durch die Metapher „Gott“ ersetzen könnten. Wieso eigentlich nicht? Gilt nicht
seit Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831), daß Gott das absolute Bewußtsein sei? Und
wird nicht „Gott“ in allen (!) Religionen (allerdings nicht im Buddhismus und Taoismus, da
beide ja keine Religionen, sondern tiefphilosophische monistische Lehren sind!) Bewußtsein
zugesprochen, ja sogar ein Über-Bewußtsein mit „Allmacht“ und „Allwissenheit“? Vor allem
in den drei monotheistischen Religionen? Wenn also Abstraktionsfähigkeit bewußtseinsab-
3 sic „Schöpfungsakt“!
4 Dieses Zusammengehören erfolgt durchaus willkürlich, aber aufgrund unserer Erfahrung, und ist auf unser Überleben hin ausgerichtet. Es erscheint uns sinnvoll (und „sinnvoll“ zielt letztlich immer auf Sich-in-der-Welt- Bewähren!), z. B. alle hochgewachsenen und verholzten Pflanzen als „Bäume“ zu bezeichnen. Andererseits ändert sich die botanische und auch zoologische Systematik, dem Forschungsfortschritt entsprechend, permanent. Wie verbindlich sind also Allgemeinbegriffe? Die Natur kümmert sich um sie jedenfalls nicht, indem die Evolution permanent in Fluß ist und beständig Neues (aber keine neuen Arten!) aus bereits Vorhandenem entsteht. Dieses Neue freilich lassifizieren wir wieder zu neuen „Arten“.
(3) Die Welt ist immer (nur) unsere.
Empfindung und Wahrnehmung
Was sinnliche Eindrücke sind, ist bekannt; ob wir uns dabei auf die klassische Fünfheit berufen
(sehen, hören, riechen, schmecken, tasten) oder diese Palette anders ordnen und/oder erweitern,
ist unerheblich. Gemeint ist damit jener Sinnenapparat, dessen Kommunikation mit
unserer Um- bzw. Mitwelt intersubjektiv nachprüfbar ist, über den (zumindest jeder Gesunde)
verfügt und über dessen Wirken Konsens besteht:
Jeder Nicht-Blinde weiß, was mit „sehen“
gemeint ist. Der von Geburt an Blinde wird es aber nicht nachvollziehen können. Die Welt des Sehens ist ihm verschlossen. Es gibt ein Organ für das Sehen – und eine naturwissenschaftlich
mehr oder weniger verbindliche Theorie, wie das Sehen zustande kommt.
Alles, was auf diese intersubjektiv nachprüfbare Art und Weise empfunden wird, gilt als sinnlicher
Reiz: Unsere Organe leiten ihre spezifischen Reize physiologisch ans Gehirn weiter,
das die elektro-chemischen Reize als Empfindungen eingeordnet, miteinander verknüpft und
zu einem sinnvollen Ganzen, unsere Wahrnehmung, zusammensetzt.
Diesen Vorgang nennen wir „Erfahrung“: Indem wir empfinden und das Empfundene prüfen
und als bekannt oder unbekannt einordnen, nehmen wir wahr; und indem wir wahrnehmen,
erkennen wir, bilden wir unsere Wirklichkeit – und die ist für uns immer wahr: als unsere
Wahrheit, die wir auch verteidigen: mitunter bis zu unserem Tod.
(4) Was wir wahrnehmen, ist für uns wahr.
Und nur für uns. Eine andere Wahrheit gibt es für uns nicht. Halten wir andere Wahrheiten
auch für wahr, sind sie mit diesem unserem Für-wahr-Halten zu unserer Wahrheit geworden.
Lehnen wir eine fremde „Wahrheit“ ab, ist deren Ablehnung für uns wahr.
Kategorien, Programme und Algorithmen.
Das Problem beim Wahrnehmen sind aber nicht die Empfindungen, sondern deren Überprüfen
und als „bekannt“ oder „unbekannt“ Einordnen. Was zeichnet dafür verantwortlich? Leibniz
hat es „intellectus ipse“ genannt, also „der Verstand oder die Vernunft selbst“ – aber er hat
nicht dazu gesagt, was diese sind. Auch Kant hat darüber gegrübelt, was der Unterschied zwischen
Verstand und Vernunft sei.
Allgemein gilt der Verstand als diskursiv, also Schritt für
Schritt fortschreitend und bezieht sich auf die sinnliche Erfahrung. Die Vernunft bildet dazu
das logische, zielsetzende Regelwerk, nach dem sich der Verstand richtet … Das lateinische
„intellectus“ unterscheidet nicht so penibel: es bedeutet „Verstand“, „Vernunft“, „Einsicht“,
„Geist“, „Erkenntnis“ und „Denken“.
Wir nennen diese Instanz des Prüfens und Einordnens „Bewußtsein“ und definieren:
(5) Das Bewußtsein ordnet die Empfindungen zu Wahrnehmungen und weiß darum.
Was diese Ordnungen sind, haben Legionen von Philosophen beschrieben und sie – in Anlehnung
an Aristoteles – meist „Kategorien“ genannt, also jene Muster, Seins- und/oder Aussageweisen
(wir würden heute „Programme“ oder „Algorithmen“ dazu sagen), nach denen die
Empfindungen verknüpft werden.
Dazu gehören seit alters her:
Substanz, Quantität, Qualität,
Modalität, Relation, Ort, Zeit, Tun, Lage, Haben, Leiden; auch Eigenschaft, Beschaffenheit,
Verhältnis; in der Scholastik sind es Sein, Wesen, Qualität, Quantität, Bewegung, Beziehung
und Habitus; später bei Hegel Sein, Wesen, Werden usw.
Wir können gar nicht anders, als Erfahrenes nach seiner Menge (eines oder vieles?), nach seiner Qualität
(Welche Eigenschaft oder Beschaffenheit hat dieses da?), nach seiner Modalität (die Art und Weise seines Seins:
möglich, wirklich oder notwendig?) oder nach seiner Relation (Wie verhält es sich zu anderem?
In welcher Beziehung steht etwas?) zu beurteilen.
Wir können gar nicht anders, als das von uns Erfahrene räumlich und zeitlich einzuordnen; wir
können auch nicht anders, als Sprache grammatikalisch zu ordnen: Grammatik (also ein verbindliches Ordnungsmuster oder „Programm“) muß sein – egal, ob es sich um eine gewachsene oder künstliche,
z. B. Esperanto oder die klingonische handelt …
Das Wissen um das Wissen
Beim Problem des Wissens um das Wahrgenommene ist allerdings der Kern, was Bewußtsein
ist, getroffen: Wie soll man den Begriff „wissen“ oder „verstehen“, den man ja nur wissen
oder eben verstehen kann, erklären? Wissen und Verstehen werden jedenfalls nicht durch die
Sinne erfahren – wohl aber das mein Wissen Auslösende, das ich sinnlich empfinde und durch
meine Erfahrung dann als Gewußtes und Verstandenes einordne. Ebensowenig wird der Begriff
des „Ich“ über unsere Sinne erfahren. „Ich“ ist etwas fundamental anderes, als alles Erfahrbare.
Ein Gegenstand, z. B. ein Baum, löst in mir Empfindungen aus und wird als Baum
gewußt. Es gibt aber kein mit Entgegenstehendes, der in mir die Ich-Empfindung auslöste!
Das „Ich weiß“ (= ego cogito; von Descartes zum bekannten „Cogito ergo sum“ erweitert) ist
damit zu einem nicht mehr weiter hinterfragbaren Letzten oder Elementaren des Bewußtseins
geworden und wurde traditionell als Quantum, also ein nicht mehr weiter Teilbares (Leibniz
spricht hier von „Monade“, auch wenn er diese letztlich anders versteht) und Eines im Sinne
von nicht mehr weiter (= durch anderes) Bestimmbares angesehen.
Wir wollen uns damit aber nicht abfinden, sondern das Ich bestimmen.
Erfahrung und darum Wissen sind zweierlei. Erfahrung ist abgespeichertes und wieder abrufbares
Verhalten; das können Computer, Roboter, ja selbst durchschnittliche Automatiken von
besseren Autos auch: Sie speichern Schaltvorgänge, vergleichen ihre Abfolge und reproduzieren
sie – bzw. überschreiben den alten Speicher, wenn eine veränderte Abfolge gespeichert
werden soll. Erfahrung ist codier- und abrufbar. Die kompliziertesten Computerprogramme
basieren auf diesem Vorgang: eingeben, abspeichern, verknüpfen, bei bestimmten Eingaben
sich verändern, abspeichern, wiedergeben …
Das Wissen um diesen Vorgang fehlt solchen Programmen – so kompliziert sie auch sein mögen:
Sie spulen „ihr Programm“ ab, ohne um dieses Abspulen zu wissen.
(6) Wissen heißt, eigene Kenntnis über etwas zu haben und sich dieser
Kenntnis bewußt zu sein.
Wissen heißt nicht, etwas bloß zu können oder wiederzuerkennen. Wissen im Sinn von bewußt
sein wird immer subjektiv umgefärbt und geht mit unserer Wahrheit einher. Was wir
wissen, ist für uns wirklich und wahr. Wissen, Wirklichkeit und Wahrheit sind identisch.
Wie kommt es zu dieser Identität, zu dieser Subjektivierung von Wissen und Wahrheit?
Programmierte Lernfähigkeit
Lernen ist ein Bündel artspezifischer Programme, das nach ganz bestimmten Algorithmen
oder Makros (Kleinprogrammen) die Eindrücke ordnet, verknüpft, abspeichert und als „Erfahrung“
das bereits Abgespeicherte verändert.
(7) Bewußtsein ist lernfähig: Es verändert seinen eigenen Speicher.
Aufgrund dieses Lernens verändert sich auch das Verhalten. Bewußtsein reagiert auf Umweltreize
anpassend. Für uns Menschen ist diese Definition aber nicht ausreichend, denn wir können
uns anpassen – müssen es aber nicht. Wir können also zwischen anpassen und nicht anpassen wählen. Kein normales Lernprogramm kann das. Und ob es alle Tiere können, ist fraglich.
Unser Bewußtsein vermag also mehr als zu lernen!
Ein Stein – dem wir Bewußtsein absprechen – fällt immer hinunter, wenn ihm die Unterlage
entzogen ist. Er hat keine andere „Wahl“: Er kann nur „nach unten“. Steine verändern damit
auch ihre Umgebung: mechanisch (Steinschlag, Schutthalden, Abraum, Sedimentation, als
Sand in Form von Dünen) und chemisch (zumindest einige) durch Wasser- und Kohlendioxydeinwirkungen:
Kalkstein zum Beispiel. Alle diese Veränderungen sind aber streng deterministisch,
was wir als kausal interpretieren; ein den Steinen innewohnendes (Lern-) Programm würden wir leugnen.
Pflanzen – denen man Bewußtsein zusprechen kann, was freilich davon abhängig ist, wie man
„Bewußtsein“ definiert – reagieren differenziert auf Umweltreize: auf Licht, auf die Erdanziehung,
auf Wärme, auf Wasser, auf Minerale, auf Gase, auf andere Organismen. Als Organismen,
also Belebtes, re-agieren sie auf ihre Umwelt: Ich spreche mit Absicht von Umwelt
und nicht von Umgebung und willen damit ausdrücken, daß sich Pflanzen an ihre Umgebung
anpassen, was ihre Umgebung zur Umwelt macht. Sie nehmen Substanzen auf und geben
welche ab. Sie verändern sich und die Umwelt chemisch und physikalisch. Sie passen sich in
Maßen ihrer Umwelt an: Sie sind in diesem Sinne lernfähig, ihr Programm ist veränderbar.
Wenn wir definieren:
(8) Bewußtsein ist lernfähiges, also veränderliches Anpassen an die Umwelt,
dann haben Pflanzen Bewußtsein. Ihr Bewußtsein ist von unserem verschieden, denn
1.1) empfinden wir uns nicht als Pflanzen und
1.2) dürfen wir annehmen, daß Pflanzen um die eigene Anpassung und die Veränderung
ihrer Umwelt nichts wissen.
Bleibt die Frage, ob es sinnvoll ist, von „pflanzlichem Bewußtsein“ zu sprechen. Aber ein
„Programm“ haben Pflanzen, ihr Organismus kennt Programme mit Algorithmen und Makros,
die selbst veränderbar sind.
Zweifelhafte Systematiken
Sprechen wir Tieren Bewußtsein zu, Bewußtsein im bisherigen Sinne des lernfähigen Anpassens
an die Umwelt ? Natürlich, denn was den Pflanzen recht ist, muß den Tieren billig sein.
Der – philosophische – Unterschied zwischen Pflanzen und Tieren ist gar nicht so eindeutig,
der biologische übrigens auch nicht; ob Viren schon Lebewesen sind, ist ein weiterhin schwelender
Streit; und ob eine fleischfressende Pflanze noch eine Pflanze oder schon ein Tier ist,
mögen die Botaniker und Zoologen unter sich austragen; keine Systematik ist etwas Unverrückbares
und letztlich immer etwas Willkürliches.
Tiere und Pflanzen passen sich jedenfalls an ihre Umwelt, die “ökologische Nische“. Gerne geäußerte Meinung ist auch, daß wir höheren Tieren eher ein menschenähnliches Bewußtsein zusprechen als niederen. Katzen und Hunden gegenüber sind wir in diesem Punkt eher großzügig, Hühnern und Bandwürmern gegenüber nicht.
Tatsächlich macht es uns großes Kopfzerbrechen, wie sich unser Bewußtsein von jenem der
uns nächststehenden Arten unterscheidet. Da gibt es höchst nachdenklich stimmende Untersuchungen,
die eine leichtfertige Unterscheidung zwischen Primaten und uns nicht mehr gestatten.
So ist es schon vor rund einem Vierteljahrhundert auf der kalifornischen Stanford University
gelungen, die Schimpansin Judy zu Verhaltensmustern zu bewegen, die dem eines
menschlichen Dreijährigen entsprachen: Judy tippte in den Computer „I“, dokumentierte damit
ihre Ich-Identität wenn nicht sogar Individualität, log, schämte und entschuldigte sich –
das alles über die Computertastatur, da der Schimpansengaumen zu differenzierterer Lautbildung
nicht geeignet ist.
Die prinzipielle Trennung zwischen Mensch und Tier („Menschen haben eine Seele, Tiere
nicht“) ist so jedenfalls nicht mehr aufrecht zu erhalten.
Das Selbst
Was ist dieses „Ich“, dieses „Lügen“, dieses „Schämen“, dieses „Entschuldigen“, das uns im
Verhalten von Judy so nachdenklich macht? Was bedeutet der Term „Selbst“ in Selbstbewußtsein?
Was ist „Selbst“?
Mit unserer Definition „Bewußtsein ist lernfähiges Anpassen an die Umwelt“ ist es offenbar
nicht getan, unser Bewußtsein von jenem anderer Lebewesen zu differenzieren. Es bedarf
einer weiteren Besonderheit. Wir definieren daher:
(9) „Selbst“ bedeutet, sich von anderem unterschieden zu wissen
und erinnert uns an: Wissen heißt, eigene Kenntnis über etwas zu haben und sich dieser
Kenntnis bewußt zu sein. Hier kommt zur bloßen Kenntnis, also Information, etwas hinzu:
nämlich daß es sich um eine In-Formation handelt, also um eine „Form“, die „einfällt“. Es ist
etwas Fremdes, das als nicht eigenes erkannt wird.
Wir kommen damit zum Baum der Erkenntnis und gelangen in den Garten Eden.
Dieser Mythos
umschreibt die Zäsur zwischen Mensch und Tier: „ …und sie merkten, daß sie nackt waren“,
heißt es in Genesis 3,7 nach dem Essen der Früchte. Dieses „nackt sein“ wurde vom
Christentum immer sexuell miß- bzw. umgedeutet und als Keule gegen die Befreiung des
Menschen aus seiner Unmittelbarkeit verwendet. „Unmittelbar“ meint hier, daß es vor dem
„Sündenfall“ für den Menschen keines Mittels bedurfte, um zu überleben. Dieses Mittel ist
laut Bibel die „Erkenntnis des Guten und des Bösen“, also das Selbstbewußtsein, das stets
alles auf sich bezieht – und damit bewertet: als für sich förderlich (= gut) oder für sich
nachteilig (= böse).
„Nackt sein“ bedeutet aber, daß sich der zu Selbstbewußtsein Gelangte plötzlich als ungeschützt
erlebt; daß ihm bewußt wird, daß er seiner Umwelt ausgeliefert ist, daß er oder sie
(auch die Geschlechtlichkeit wird bewußt !) alleine ist „in der“ Welt, die ihm oder ihr jetzt zur
fremden geworden ist! Daß alles andere nicht er/sie ist, daß dem eben erwachten Ich ein Universum
voller Nicht-Iche entgegensteht. Ja, selbst daß „er“ und „sie“ und die oder der andere
plötzlich wesentlich anders und damit fremd ist. Die Geschlechterbindung. unabhängig der sexuellen Orientierung bzw. Ausrichtung (Männer zu Männer, Frauen zu Frauen) kann auf die jeweils größere Ähnlichkeit (= weniger fremd) zurückzuführen sein. (Frauen die Misshandelt wurden, haben sich vielfach in "Frauenclans" organisiert.
Das Gender Paradoxon - Gender-Mainstreaming
als Zusatz Wissenschaft umgeben von Infantilismus & Ideologien
Man verbrüdert bzw. verschwestert sich eher als man heiratet …
Jaspers hat diesen Evolutionssprung als „in die Welt geworfen sein“ bezeichnet. Der monotheistische
Mythos hat ihn als „Vertreibung aus dem Paradies“ bezeichnet – und mit „Paradies“
war das Einssein des Bewußtseins mit seiner Umwelt gemeint, das "Geborgensein" des
Lebewesens in seiner ökologischen Nische, wie wir es heute biologisch ausdrücken.
Erst mit
dem Herausfallen aus dieser Einheit der Welt, wird das Bewußtsein zum Selbst-Bewußtsein,
wird sich Bewußtsein seiner selbst gewahr. Mehr noch: Dieses Herausfallen aus der Einheit
der Welt ist das Selbst. Daher gilt:
(10) Bewußtsein, das sich von anderen ge- bzw. unterschieden weiß, bezeichnen wir als
Selbstbewußtsein.
Die Negation
Von etwas getrennt sein, etwas anderes nicht sein, ist identisch mit Negation. Diese ist aber
sinnlich nicht erfahrbar: genauso wenig wie das Wissen und das Ich sensualistisch erfahrbar
sind. Nirgendwo in der Welt gibt es etwas nicht. Überall ist nur Seiendes, existiert oder gibt es
etwas – und zwar vieles bzw. alles. Nur „im“ Bewußtsein kommt es plötzlich zur Spaltung der
Welt in das andere und das Nicht-Andere und damit zur Hervorhebung des Einmaligen: des
Selbst, das sich vom anderen geschieden weiß.
(11) Das Selbst ist das Nicht-Andere.
Es ist diese nicht-sensualistische Erfahrung des Verneinens, dieses Erkennen des Andersseins-
als-das-Andere, welches das Wissen des (um sich) Wissens ausmacht:
(12) Das Wissen des (um sich) Wissens ist (Folge der) Negation des anderen.
Das Verneinen ist es, das den Mensch zum Menschen, das Bewußtsein zum Selbstbewußtsein
macht: erlebt als Ich. Der Gegensatz zum anderen ist es, der intuitiv, also unverursacht, erfahren
wird – allerdings stets nur am anderen, das uns sensualistisch zuvorkommt.
Diese Negation ist eine eigene Qualität, wie sie nur das Selbstbewußtsein aufweist – und über
die der Mythos berichtet, der dieses Prinzip der Verneinung personifiziert, damit dämonisiert
und anthropomorphisiert hat: als „Satan“, „Verneiner“ oder „Luzifer“, also als „Lichtbringer“;
und das Licht der Erleuchtung, der Erkenntnis, der Negation nämlich ist damit gemeint.
Der Vorgang dieser Selbst-Werdung ist nicht erinnerbar, da unsere Erinnerung immer ichbezogen
ist. Wir erinnern uns nur, was wir, also als ein Ich, erlebt haben. Daher reicht unsere
Erinnerungen auch kaum vor das 3. Lebensjahr, da sich Selbst als Ichbewußtsein erst
in etwa diesem Alter ausbildet. Die jeweilige phylogenetische Entwicklung erfolgt als individuelle
Wiederholung der ontogenetischen Menschwerdung. Da sie aber nicht beobachtbar ist (als
Introspektion nämlich) – Selbstbeobachtung setzt ja ein Ich bereits voraus! –, kann sie nur
erschlossen werden.
Was passiert bei der als Ich erlebten Selbstwerdung? Wir sind auf die Außenbeobachtung
(meist der Eltern) angewiesen. Diese sprechen von sich als „Papa“ und „Mama“ und ihr Kind
mit dessen Namen an, etwa „Markus“. Die Eltern reden anfänglich nicht von sich als jeweils
ein Ich, sondern sagen „Mama“ und „Papa“ zu sich. Und sie rufen das Kind bei seinem Namen.
Nirgendwo ein Ich. Auch das Kind verhält sich adäquat. Es lallt „Mama“ und „Papa“ und radebrecht (eine fremde Sprache nur mühsam und unvollkommen sprechen) von sich als „Markus haben will mag …“ Zeigt man ihm eine Foto von sich,
sagt das Kind nicht: „Das sein ich!“ Es wird sagen: „Markus das sein.“
Und dann, plötzlich – und es ist immer ein großer Tag für die Eltern –, sagt das Kind: „Ich.“
Jetzt ist es Mensch geworden, jetzt hat sein Bewußtsein sich selbst erkannt, ab jetzt weiß das
Kind, daß es etwas anderes ist als all das andere.
Was ist da passiert?
Die Position
Das Bewußtsein erfährt Sensuales. Es lernt, daß sich alles verändert – aber manches Bestand
hat. Es lernt an der gewohnten Umgebung, daß deren Veränderung zwar heftig sind, das Bett
etwa sein Aussehen (je nach Bettzeug, Blickwinkel und Tageszeit) verändert, aber stets an
seinem Platz wiederzufinden ist. Und sollte es einmal woanders stehen, wird es an seinem
Aussehen erinnert und damit identifiziert.
Tiere erfahren und lernen auf dieselbe Art. Kein Unterschied.
Bei einigen Arten höherer Tiere und beim Menschen ist jedoch ein weiterer Vernetzungsgrad
der Neuronen und damit ein zusätzlicher Speicher vorhanden, in den mit jeder zugeordneten
Empfindung zusätzlich abgelegt wird:
Dieses da ist nicht alles andere (a ist nicht b – das 2.
logische Axiom). Dieser Speicherinhalt vergrößert sich mit jeder neuen Wahrnehmung – und
zwar exponentiell, da jede neue Wahrnehmung (also ein Bündel von Empfindungen mitsamt
ihren Erinnerungen!) mit allen bereits abgespeicherten Wahrnehmungsinhalten negativ verknüpft
werden muß: „Das ist nicht alles andere.“
Damit baut sich eine neue Erfahrung auf, nämlich daß sich alles verändert, mit Ausnahme des
„Ist nicht“-Speichers mit seinem einzigen Inhalt: der Negation „ist nicht“. Diese Erfahrung
verstärkt sich mit der Zeit exponentiell. Alles ist veränderlich – nur das „Ist nicht“ nicht. Als
selbstlernendes Programm, das ja Bewußtsein immer ist, erhält dieses „Ist nicht“ allmählich
derartige Spannung zum Veränderlichen, daß nach etwa drei Jahren die Einheit des Bewußtseins
bricht: Aus der permanenten Negation des vielen Veränderlichen wird die neue Qualität
der Position des einzig Unveränderlichen. Folge dieser Brechung ist das Selbst als Position:
„Ich bin – all das andere nicht“:
(13) Das Selbst ist sich – als Position – bewußt gewordene Negation des anderen.
Ein Qualitätssprung ist immer ein elementarer Vorgang: Es entsteht völlig Neues und ist somit
Schöpfung. Diese Brechung ist natürlich nicht „unverursacht“, sondern Folge fortwährenden
Wahrnehmens und des gleichzeitigen als „Ist nicht“-Abspeicherns: Erfolgten im Bewußtsein
keine Inputs, käme es trotz einer gewissen evolutiven Reifung des Cortex zu keiner Herausbildung
des „Ist nicht“-Speichers und in der Folge nicht zum Umschlag der Negation zur
Position der Selbsterkenntnis.
Man kann diesen Qualitätssprung von der Negation zur Position auch als Selbstorganisation
beschreiben, ein Phänomen, das in der Naturwissenschaft wohlbekannt ist: Die Ordnung der
Kristallgitter ist nur beschreibbar – ihr Zustandekommen aber nicht erklärbar.
Die Bündelung
von sich selbstverstärkendem monochromen Laserlicht ist nur beobachtbar und technisch anwendbar,
aber nicht begründbar. Die Selbstähnlichkeit von Figuren gebrochener Dimensionen (Mandelbrots „Apfelmännchen“ z. B.) ist ebenfalls nur beschreib- und berechenbar.
Warum es zu dieser Selbstähnlichkeit kommt, ist nicht beantwortbar.
Das Selbst äußert sich von Anfang an als Negation: Die Trotzphase des Dreijährigen ist das
von Eltern stets mißbillig beobachtete Ausreifen der Position des neuentstandenen Ichs: Dieses
Ich weiß noch nicht, wofür es sein soll – aber es weiß genau, wogegen es ist: nämlich gegen
alles.
Bekannt für dieses „Nicht-wofür-Wissen“ ist Qualtingers Lied: „I waaß zwoa net,
wo i hinfoa – auba dafia bin i g’schwinder duat!“ (Helmut Gustav Friedrich Qualtinger war ein österreichischer Schauspieler, Schriftsteller, Kabarettist und Rezitator).
In dieser sarkastischen Ausprägung ist es
freilich erst typisch für die zweite Trotzphase, jene des Pubertierenden – auch eine Umbruchsphase:
zur Adoleszenz nämlich. Auch das „Ich will“ in seiner Bedeutung des Sich - zu etwas -
Bekennen muß erst gelernt werden.
Gelänge es uns, diesen Symmetriebruch von der Negation zur Position den Computern durch
Hinzufügen eines „Ist-nicht-Speichers“ einzuprogrammieren – sie bildeten Selbstbewußtsein
aus.
Die Identität
Wir können daher formulieren:
(14) Kein Selbst ohne vorheriges Negieren des anderen.
Daher antwortet in Exodus 3,14 Gott auf Moses’ Frage nach dessen Namen, je nach Übersetzung:
„Ich bin der Ich-bin“ – verkürzt und falsch meist zitiert als: „Ich bin ich“ (ein Buch das ich mit gleichnamigem Titel als Kind geschenkt bekommen habe, aber ohne jewede Erkenntnis und Ausformung)
–, aber auch als „Ich werde sein der Ich-werde-Sein“ oder als „Ich bin der Da-Seiende“, letzteres auch
meist falsch übersetzt als „Ich bin der da ist“. Grammatikalisch wichtig ist, daß nach dem jeweiligen
„Bin“ kein Beistrich gesetzt wird, weil dieser das Gemeinte zu einem Relativsatz verfälschen würde.
Und das ist diese Aussage mit Sicherheit nicht!
Dieses „Ich bin der Ich-bin“ – also eine Selbstbezeichnung, auch als Tautologie bekannt – ist
sowohl
* Eines als Position und Unveränderliches als auch
* dual als „ich“ sagendes und „ich“ meinendes, also sich erkennendes Ich, sowie
* triadisch oder trinitär als Satz oder Aussage über sich selbst.
Einheit ist die Position des Selbst als unteilbares, weil unveränderliches Ganzes.
Dual ist das Selbst, weil eine Einheit, also ein Ganzes, sich selbst nie als Einheit oder Ganzes
erkennen kann, da jeder Rückbezug als Selbstreflexion oder Introspektion nur als ein sich anschauendes
oder eben ich sagendes und damit sich erkennendes oder ich meinendes Ich denkbar
ist. Das Ganze muß daher seine Einheit „splitten“ oder „brechen“.
Das charakterisiert
auch den Dualismus der Erkenntnis und bedeutet die Subjekt-Objekt-Spaltung (übrigens als
Relation eine Kategorie), ohne die Erkenntnis gar nicht möglich wäre. Dabei repräsentiert das
erste Ich das Subjekt und das zweite – jetzt richtig geschrieben als „Ich“ mit Bindestrich zum
„bin“ (!) – das namenlose Selbst, meist aber als Objekt mißinterpretiert. Auch das mag als
Indiz dafür gewertet werden, daß das Selbst der Brechung bedarf!
Und Brechung bedeutet immer Vereinzelung. Nur einzelnes ist gebrochen bzw. kann zum Objekt (gemacht) werden – aber auch nur einzelnes kann zum Subjekt werden!
Trinitär ist das nur dual sich erkennende eine Selbst hingegen, wenn seine unbedingte Einheit
ausgesagt wird oder es sich selbst aussagt („Ich bin der Ich-bin“). Würde diese (als Satz: eine)
Aussage nämlich in ihre drei Termen zerlegt, wäre die Aussage als Aussage vernichtet. Durch
die Negation der Einheit (des Satzes) entstehen nämlich drei unterschiedliche Begriffe, die
nichts mehr miteinander zu tun haben.
Die Negation der Position des Ichs als erlebtes und aussagendes Selbstbewußtsein ist aber sein Tod. Der nämlich vernichtet bzw. verunmöglicht die Spannung zwischen dem Ich und dem anderen, das wir üblicherweise als „Welt“ bezeichnen:
Mit dem Tod enden sowohl das Ich als auch die Welt!
Die losen Begriffe „ich“, „bin“ und „Ich-bin“ ergeben, einzeln genommen, keine Aussage.
„Ich“ ist dann nur mehr ein Wort und „bin“ eine bloße Kopula, ein Hilfszeitwort, das, außer
sprachliche Hilfe zu geben, nichts aussagt. Und „der Ich-bin“ ist ohne Aussageform ein leeres
Wortgewusel und nicht einmal ein Begriff. Erst die Einheit der Drei gebiert Sinn.
Eine solche unauflösbare Einheit („Triade“ genannt) wird philosophisch als „Identität“ bezeichnet,
und zwar in der allgemeinen Form von:
(15) Jedes Etwas ist mit sich eins.
Dieser Satz ist nicht neu: Er wird als „Satz der Identität“ (lateinisch: „principium identitatis“)
Antonius Andreas zugeschrieben und sagt aus: Ein Seiendes ist immer mit sich selbst identisch.
Er ist zum 1. logischen Axiom erhöht worden und lautet, als Formel angeschrieben: a =
a. Das klingt trivial, ist aber fundamental, denn die Welt besteht eben aus vielen einzelnen –
ohne einzelne wäre die Welt gar nicht.
(16) Identität bedeutet eins-sein.
So trivial ist diese Erkenntnis aber gar nicht. Erst ihre Zusammenführung mit der Position des
Selbst wird uns ihre wahre Bedeutung klarmachen.
Die Individualität
Eins-Sein ist nicht identisch mit „Sich-Meinen“ oder „Sich-Wissen“. Sich-meinen oder sich wissen
setzt Bewußtsein voraus, eins-sein hingegen nicht. Eins ist simpel jedes Vereinzelte.
Eins ist jedes Ding, jeder Körper, jedes einzelne des Vielen. Jedes einzelne ist einmalig und
so, wie es ist. Es ist nicht anderes. Aber es ist sich dieses Identisch-Seins nicht bewußt. Es
„weiß sich“ weder als einzelnes noch als unterschieden von anderem, noch als eines – es ist.
Weiß sich ein solches einzelnes durch Negation des anderen aber als Selbst, wird aus der unbewußten
Identität ein sich seiner Einmaligkeit und Unterschiedenheit zu allem anderen bewußtes
Selbst: ein Ich.
In der Philosophie nennt man ein sich seiner selbst bewußtes Ich, das seine Erfahrungen
selbstbewußt, also nicht mehr nur negierend macht, „Individualität“.
Nicht jedes Ich agiert
aber als Individualität! Die meisten Menschen betrachten sich eher als Teil einer Gruppe. Dies
äußert sich in heteronomem (= fremdbestimmtem) Verhalten im Gegensatz zur Autonomie,
also von Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit.
David Hume soll gesagt haben: Die
meisten Menschen halten sich eher für ein Stück Lava im Mond, als für ein Ich.
(17) Individualität bedeutet, sich seiner bekennenden Einmaligkeit bewußt sein.
Im Selbstbewußtsein treffen Vereinzelung (Identität) und Position des Selbst zusammen und
ergeben die Individualität. Da aber das Selbst nicht anders verstanden werden kann, als „sich
zu wissen“, und „sich“ nur Sinn ergibt, wenn es auch anderes gibt, ist „Selbst“ ohne Vereinzelung
unmöglich:
(18) Selbst ist nur als vereinzeltes.
1. Zwischenfazit: Um sich von anderen als unterschieden erfahren zu können, bedarf es
der Vereinzelung (Identität); um sich als Selbst zu wissen und bekennendes Ich zu sein,
bedarf es der Position und der sich daraus entwickelnden Individualität.
Vereinzeltes und Vieles
Einzelnes und Vieles sind genausowenig trennbar wie links und rechts oder oben und unten:
„Einzelnes“ ergibt nur Sinn, wenn es viele einzelne gibt. Die Begriffe „Bewußtsein“ und
„Selbst“ verlieren jeden Sinn, wenn sie ohne ihre notwendige Konnotation mit Vereinzelung
und Vielem gebraucht werden. Sinnleere Begriffe gibt es leider genug: „reines Bewußtsein“ z.B.,
„reines Selbst“, beide sehr oft als Metapher „Gott“ verwendet und dort mißverstanden als
„reines Bewußtsein“, „reines Selbst“ oder „reines Selbstbewußtsein“.
Es handelt sich um den
schwersten philosophischen Fehler, den man begehen kann. Alle Religionen basieren auf ihm.
Für das Vereinzelte und Viele gibt es in der Philosophie und der Physik den schon eingeführten
Begriff der „Materie“.
Wenn Vereinzelung und Vieles – dann Materie, lautet diese Wenndann - Beziehung (als Konjunktion auch eine Kategorie). Wenn sinnlich Erfahrbares – dann Materielles. Der logische Schluß dieser Konjunktion ist zwingend:
(19) Selbstbewußtsein bedarf der Materie.
2. Zwischenfazit: Es gibt kein Bewußtsein ohne Materie. Und es gibt kein Selbst, wenn
es nicht Bewußtsein gäbe, das negierend auf sich rekurrierte.
II. Der Baum des Lebens
Endliches und Ewiges
Es gab im Paradies nicht nur den Baum der Erkenntnis. Es ist in diesem Mythos auch die Rede
von einem zweiten, von "Gott" den Menschen verbotenen Baum: dem Baum des Lebens.
Über ihn wacht "Gott" eifersüchtig. „Daß er jetzt nur nicht seine Hand ausstrecke und auch vom
Baume des Lebens nimmt und ißt und ewig lebt“, fürchtet "Gott" in Gen. 3,22 – und wirft
Adam und Eva nach deren Sündenfall aus dem Paradies. Er stellt „die Cherubim auf und das
zuckende Flammenschwert zur Bewachung des Weges zum Baume des Lebens“. (Gen. 3,24)
Was ist dieser „Baum des Lebens“?
Es wird nirgendwo anders mehr als an diesen beiden Stellen
in der Bibel auf ihn bezug genommen – und „ewiges Leben“? Wir gehen davon aus, daß
„ewiges Leben“ von den Bibelinterpreten genauso mißinterpretiert worden ist wie das „nackt
sein“ nach dem "Sündenfall" und behaupten: Damit gemeint ist die Erkenntnis, daß sowohl Be -
wußtsein als auch Selbst ewig seien – der Mensch möge aber (nach „Gottes Plan“) nicht darauf
kommen!
Denn:
(20) Alles Materielle ist endlich.
Alles Materielle ist aufgrund seiner Vereinzelung begrenzt, hat also Ausdehnung. Hätte ein
Körper keine Begrenzung, existierte ja nicht vieles, sondern nur eines – dieses wäre dann unbegrenzt
und ohne Ende, also un-endlich. Auch Leibniz argumentiert in seinem Prinzip der
Identität der Ununterscheidbaren (lateinisch: principium identitatis indiscernibilium) ähnlich:
„Es kann nicht mehrere Substanzen geben, die sich in nichts voneinander unterscheiden“
oder: „Zwei vollkommen gleiche, nicht unterscheidbare Dinge kann es in der Welt nicht geben,
sonst wären sie eins.“
Jede Identität ist aufgrund ihrer Identität endlich: sowohl in räumlicher als in zeitlicher Sicht.
Jeder Körper hat Ausdehnung und Dauer. (Die Zeit wurde erst durch den jüdisch - christlichen Glauben eingeführt, sie hat an sich keine Existenz).
Das gilt natürlich nicht für die Vielheit der Körper – also für das Ganze. Dieses Ganze – auch All-Eines genannt – ist natürlich weder räumlich begrenzt (also endlich in seiner Ausdehnung) – wogegen auch? – noch zeitlich limitiert (also endlich in seiner Dauer): wogegen abermals?
Es ist ewig.
(21) Ewiges ist weder räumlich noch zeitlich – noch ist es vereinzelt.
Einziges und Vieles
Die „vulgäre Ewigkeit“ als „(nicht) begonnen habende und nicht enden sollende Zeit “ ist genauso
ein kapitaler Denkfehler wie „reines Bewußtsein“ oder „reines Selbst“.
(22) Bewußtsein und Selbst sind keine Dinge – aber sie können nur an Vereinzelten (als
Organismen) bewußt agieren oder sich selbst bewußt werden.
Das Bewußtsein ist von uns bisher als Programm eines Vereinzelten, mit einer Vielzahl an Algorithmen und Makros, definiert worden, und das Selbst als bewußte Position in der Folge der Negation von anderem. Weder ein Programm noch die Negation sind aber Dinge. Wir haben aber gezeigt, daß Bewußtsein und Selbst Vereinzelter bedürfen, um (als Bewußtsein) darauf re-agieren und (als Selbst) sich anderem gegenüber als Position wissen zu können.
Wem oder was gegenüber sollte Bewußtsein als einziges und somit all-einiges (!) re-agieren,
oder Selbst als ebenso einziges oder all-einiges sich wissen?
Wogegen positionierte es sich?
„Einzig“ macht aber Sinn nur in bezug zu anderem, das damit erst das Viele ergibt. Dieses
Viele wird zum Allen, wenn nichts mehr zum Vielen hinzukommt, denn logischerweise ist
das Alles auch Eines, denn:
(23) Alles plus Zusätzliches wäre um dieses Zusätzliche weniger. Und somit
nicht Alles.
Gegenüber und re-agieren
Was bedeutet es, wenn Bewußtsein auf etwas re-agiert? Re-Aktion meint, daß eine Tätigkeit
oder Handlung auf Vorangegangenes erfolgt. Der Unterschied zwischen Tätigkeit und Hand -
lung ist fundamental: Bewußtsein löst Tätigkeiten aus, Selbstbewußtsein setzt (einbekannte,
verantwortete!) Handlungen – kann sich aber auch auf bloße Tätigkeit beschränken.
(24) Bewußtsein re-agiert.
Auch Kreativität und Schöpferisches sind „nur“ Re-Aktionen auf Gegebenes. Alle Erfindungen
hatten „ihre Zeit“ und werden ihre Zeit haben. Keine Schöpferkraft wäre imstande gewesen,
zur Steinzeit den Computer zu erfinden. Daß das menschliche Bewußtsein eine Folge der
gesellschaftlichen Gegebenheiten ist („das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewußtsein“),
ist keine Erfindung von Marx.
Es verhält sich mit der Kreativität vielmehr wie mit dem Grammatikzwang bei Sprache:
Wie Ordnung in der Sprache sein muß – völlig unabhängig
von der Art der Sprache –, muß Selbstbewußtsein schöpfen, egal was, wann und wie. Man
nennt das auch „Fortschritt“ – von Gegebenen übrigens nur …
All-einiges und All-Eines
Worauf sollte ein all-einiges Bewußtsein re-agieren? Was wäre eine Re-Aktion ohne Aktion?
Kein tätiges Bewußtsein ohne Impressionen! Und Eindrücke oder -gaben ohne Programm? Dazu
Kant: „Anschauung ohne Inhalt ist blind – Inhalt ohne Anschauung ist leer.“
All-einiges Bewußtsein
erführe keine Eingaben: Es umfaßte ja alles, hätte nichts außer sich, das es nicht
schon wäre. Es könnte nicht re-agieren, nichts kreieren, nichts schöpfen.
Alles, also das Ganze als Eines kann nicht Bewußtsein sein oder haben, denn: Welch ein Bewußtsein
wäre das, wenn es nicht re-agierte? Worauf sollte das All-Eine auch „reagieren“?
(25) Es gibt nichts Zusätzliches zum All-Einen oder Ganzen.
Dies nicht einzusehen, ist der dritte fundamentale Denkfehler in der Philosophie und führt in
die Verdoppelung der Welt, in den Dualismus der erfahrbaren Welt als Diesseits und in ihr
„Darüberhinaus“ als „Jenseits“.
Jenem „Darüberhinaus“ werden auch gerne die leeren Begriffe
„absolutes Bewußtsein“ oder „absolutes Selbst“ vulgo „Gott“ zugewiesen mit Kreation und
Schöpfung: der viertschwerste philosophische Denkfehler
Auf- und Aus-Sich
Einem solchen „absoluten Bewußtsein“ vulgo „Gott“ würde das zur Re-Aktion nötige Gegenüber
fehlen, seine Re-Aktion müßte ergo „auf sich“, also „aus sich“ anstelle auf anderes erfolgen.
Dies würde aber bereits ein Sich voraussetzen. Dieses Sich als Position des Selbst ist
aber nur aus der Negation von anderem ableitbar.
Das Selbst auf der Negation seiner selbst zu gründen ist ein semantischer und logischer Widersinn,
da der Begriff „Negation seiner selbst“ die Position des Selbst schon voraussetzt: Selbst kann aber aus Mangel an Negation von anderem nie zur Position umschlagen!
Das „Aus sich“ Gottes ist also eine widersinnige Konstruktion,
mit deren Hilfe allerdings der „Gott“ der Hochreligionen begründet wird:
Gott ist nach ihnen „aus und durch sich“. Diese Unmöglichkeit anzuzweifeln ist allerdings strengstens verboten und wird sanktioniert: von Tötung bis Exkommunikation.
Bewußtsein ist nur als Re-Aktion eines Programm-Pools auf Inputs möglich. Aus zahllosen
Deprivationsversuchen weiß die Psychologie, daß sich Bewußtsein ohne Außenreize Eindrücke
(aus der Erinnerung!) selbst reproduziert: Man nennt das „halluzinieren“ oder „im Wahn sein“ – auch „wahnsinnig werden“, wenn dieser Zustand länger andauert. Verschütteten Bergleuten, die gerettet wurden, ist dieser Zustand in fürchterlichster Erinnerung.
Halluzinierendes Verhalten ist natürlich keine Aktion „aus sich“, sondern erinnerte Re-
Aktion, die sich aus vorangegangenen und abgespeicherten Eindrücken rekrutiert.
Aktion „aus sich“ wäre hingegen erfahrungsfreies Schöpfen – ein logischer Widersinn.
(26) Es bedarf des Auf-sich um aus sich schöpfen zu können.
Fazit: Der Begriff des „Sich“ ergibt nur Sinn, wenn es auch anderes gibt, gegen das sich
das „Sich“ negieren und als Position des Selbst fundieren kann. „Auf“ oder „aus sich“
ohne anderes ergeben sinnleere Begriffe.
Offene Systeme und Unveränderliches
Bewußtsein und Selbst bedürfen eines Organismus, der als offenes System mit seiner Umwelt
wechselwirkt. Stoffwechsel ist also Vorbedingung für die Ausbildung von Bewußtsein und
Selbst.
Organismen sind aber immer körperlich, also ausgedehnt und dauern: sie verändern
sich und sind damit vergänglich. Bewußtsein und Selbst hingegen sind nicht ausgedehnt, begrenzt,
endlich oder vereinzelbar – weil sie keine Dinge sind. Ergo sind sie auch nicht der
Veränderung unterworfen. Demnach sind sie ewig, denn Ewiges ist weder räumlich noch zeitlich
noch vereinzelbar – auch „Gott“ ist es nicht!
Bewußtsein haben wir als lernfähiges Quasi-Programm definiert, das sich als solches natürlich
nicht ändert. Was sollte sich auch ändern? Die Lernfähigkeit? Die d a r f sich gar nicht ändern, denn die einzige denkbare Änderung der Lernfähigkeit wäre deren Negation, was Nicht-Lernfähigkeit bedeutete. Damit wäre aber Bewußtsein kein Bewußtsein mehr …
(27) Bewußtsein bedeutet unveränderliche Lernfähigkeit.
Was sich am Bewußtsein aber ändert, ist sein Inhalt: sonst käme es nicht zum Lernen.
(28) Lernen ist Veränderung des Bewußtseininhaltes.
Das Selbst haben wir als Bezugstriade definiert, und Selbstbewußtsein als Bewußtsein, das
sich als von anderem unterschieden weiß. Was sollte sich am Selbst verändern? Das Sichvom-
anderen-unterschieden-Wissen? Auch hier ist als einzige Veränderung des Selbst nur die
Negation seiner Position denkbar: Damit wäre es aber genau das nicht mehr: Position nämlich.
Es wäre Nicht-Selbst!
(29) Das Selbst ist unveränderbare Position.
Zentripetalität
Ein Vergleich bietet sich an: Egal, wie groß ein Kreis ist – sein jeweiliger Mittelpunkt bleibt
immer sein Mittelpunkt: die Position des Kreises. Der Mittelpunkt, sein Zentrum, bleibt unveränderlich
Mittelpunkt – nur der Radius des Kreises ist veränderbar.
Selbstbewußtsein ist ein ebensolches Zentrum und ein ebensolcher Mittelpunkt: aller Bewußtseinsinhalte
nämlich. Alles beziehen wir auf uns – wir agieren zentripetal. Dieses zentripetale Zentrum nennen wir „Ich“. Es ist unsere Position in der Welt.
(30) Das Ich ist die Art und Weise, wie sich das Selbst als bewußtes Vereinzeltes erfährt.
Jeder Mensch ist ein Ich – und zwar ununterschiedlich zum Ich des anderen. Jedes Selbstbewußtsein
sagt zu sich „ich“ – und ist damit ununterschiedlich Position.
Jedes Selbstbewußtsein bezieht daher alles (also auch sich!) unveränderlich auf sich: Ich und
meine Welt sind immer Einheit und nicht trennbar: Das Selbst ist als mein Ich – und meine
Welt ist das andere, das Nicht-Ich, wie es schon Fichte nannte. Das gilt für jedes Ich und seine
Welt. Ununterschiedlich bleibt Position Position.
Wohl aber positionieren die vielen Iche Unterschiedliches: aufgrund der unterschiedlichen
Inhalte ihrer Selbstbezüge nämlich. Zwar sind alle Selbstbewußtseine ununterschiedlich jeweils
Ich – meinen aber unterschiedene und damit auch unterscheidbare Persönlichkeiten:
aufgrund unterschiedlicher Geburt, unterschiedlicher Umgebung, unterschiedlicher Interessen,
unterschiedlicher Geschichte und unterschiedlicher Ziele. Gemeinsam ist ihnen die Position
des Selbst als ihr Ich.
"Christus" sagte angeblich: „Weil alle Menschen Brüder sind.“ Vielleicht hat er – wenn er es
überhaupt so gesagt hat! – so gemeint. Buddhisten sagen: „Ich bin Du – und Du bist ich.“
Vielleicht meinen auch sie das so.
Selbstbewußtsein und andere(s)
Selbst und Bewußtsein sind demgemäß auch nicht quantifizierbar: Sie sind als undingliche
keine einzelnen und ergo nicht abzählbar.
Realisiert treten Selbst und Bewußtsein hingegen
sehr wohl als Vereinzelte auf:
als dieses selbstbewußte Lebewesen (lateinisch: „animal rationale“).
Vergänglich (= veränderbar; in diesem Sinne: vernichtbar) ist nur der Inhalt von Bewußtsein
– nicht aber es selbst. Aber: Was wäre ewiges Bewußtsein ohne endlichen Inhalt ? Was wäre
ewiges Selbst ohne vergängliches andere ?
Was kümmert uns allerdings Bewußtsein ohne Inhalt ? Was kümmert uns Selbst ohne andere(s)?
Denn das, was wir wirklich sind, was unser Leben und Bewußtsein ausmacht, ist unser
Bewußtseinsinhalt unsere Persönlichkeit.
Das, was wir sind, ist nicht das Selbst als Ich. Das, was wir wirklich sind, ist unsere Geschichte,
sind unsere Ziele, ist unsere Individualität – und ist unser Wissen um unsere Endlichkeit.
Das, was wir wirklich sind, sind wir nur durch das jeweils andere.
Ohne andere(s) – und das ist von Mensch zu Mensch verschieden – wären wir uns nicht als Ich bewußt, wären wir nicht selbst, wären wir nicht selbstbewußt. Wir wären tot.
Dazu Sartre: „Die Hölle, das sind die anderen.“ Die Gegenposition dazu: „ Die Kirche, als Gemeinschaft
der Heiligen“.
Fazit: Wir sind endlich – aber unsterblich. Wir sind ewig – leben aber nur eine bestimmte
Zeitlang. Wir sind niemals tot – aber gestorben für die anderen. Wir leben – seit
jeher und immerdar. Der Tod ist uns bekannt – aber wir werden ihn nie kennen lernen.
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Bewußtsein als Schöpfung(sakt)