- Das Für und Wider einer offenen Beziehung respektive Ehe -
Zitat Frau A. Weiss:
"Affären und Seitensprünge sind noch immer normaler als offene Ehen".
Buch: co - fucking
- warum ich erst dachte, dass meine Ehe zerbricht - und ich jetzt glücklich in einer offenen Beziehung bin.
Eine Kurzanalyse des Buches
S. Hab (Master of Science, M. Sc.)
Zur Autorin des Buches:
Anna Weiss ist in Hannover geboren und aufgewachsen und hat in Berlin Kommunikations - wissenschaften studiert und viele Jahre im In- und Ausland als Autorin und Marketing -Expertin gearbeitet. Als sie durch die offene Ehe verstand, was sie – nicht nur sexuell – wirklich wollte, kündigte sie ihren Job. Nun lebt und arbeitet sie als Freelancerin gemeinsam mit ihrem Mann, den sie schon in der Schulzeit kennengelernt hatte, in Berlin und in der Welt. Ihr Buch "Co-Fucking" ist beim GU Verlag erschienen.
Die Autorin Anna Weiss lässt in diesem Buch ihre "Abenteuer" und somit den Prozess ihrer heutigen Lebensweise unverblümt Revue passieren.
Dabei lässt sie den Lesenden in ihr Innenleben blicken, und spricht dabei auch ganz offen Probleme an, die eine offene Ehe mit sich führen können.
"Beziehungen, egal ob monogam oder nicht, sind nie sicher." - Seite 191
Auch wenn man selbst, eine andere Lebensform, wie eine offene Ehe bevorzugt, ist dieses Buch ein kleines Plädoyer für mehr Kommunikation und Offenheit in Beziehungen.
Buchcover:
Wie der Wunsch meines Mannes nach einer offenen Ehe mich erst in fremde Betten und dann zu mir selbst führte. Lange habe ich gelebt wie die meisten: monogam. Alex und ich, für immer und ewig. Dachte ich. Doch dann kam alles anders. Verheiratet sind wir immer noch. Jetzt allerdings in einer offenen Ehe.
Das heißt, wir haben auch Sex mit anderen. Seither habe ich geheult, gezweifelt, war rasend vor Eifersucht. Und ich habe für mich einige Fragen beantwortet:
• Wieviel Liebe braucht die Lust und umgekehrt?
• Sind wir einander untreu, weil wir mit anderen ins Bett gehen?
• Was, wenn ich mich verliebe?
•Warum sind Seitensprünge und Affären in unserer Gesellschaft normaler als offene Beziehungen? Vor allem aber: Ich bin selbstbewusster geworden und heute die, die ich sein will.
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Zunächst ein repräsentativer Hintergrund:
An einer deutschen Studie nahmen 3334 betrogene Männer und Frauen teil. Im Folgenden zeigt sich der prozentuale Anteil an Ja-Antworten auf ausgewählte Fragen. Diese beziehen sich auf das Befinden in den ersten sechs Monaten nach Bekanntwerden des Seitensprungs:
- „Ich bin wütend auf meinen Partner”: 49% der Männer und 72% der Frauen.
- „Ich bin wütend auf die dritte Person” (der Liebhaber): 70% der Männer und 70% der Frauen.
- „Ich fühle mich schuldig, dass es zu diesem Seitensprung gekommen ist”: 50% der Männer und 38% der Frauen
- „Ich frage mich, wie mein Partner mich so hintergehen konnte”: 83% der Männer und 94% der Frauen
- „Ich habe Angst vor der Zukunft”: 68% der Männer und 69% der Frauen
- „Ich fühle mich traurig”: 90% der Männer und 93% der Frauen
- „Ich fühle mich wertlos”: 48% der Männer und 53% der Frauen
- „Gedanken und/oder Bilder drängen sich mir auf, in denen ich mir vorstelle, wie mein Partner mich betrügt”: 75% der Männer und 74% der Frauen
Auch andere Studienautoren betonen das gedankliche Wiedererleben. Sie fanden heraus, dass die meisten der getäuschten Partner nach dem Herausfinden des Seitensprungs von Beschwerden berichteten, welchen ähnlich denen einer (PTBS) Posttraumatischen Belastungsstörung sind und die Betroffenen destabilisiert, verunsichert und orientierungslos macht.
Ein aufgeflogener oder gebeichteter Seitensprung kann daher als ein kritisches und stressverursachendes Lebensereignis angesehen werden, welches das Bewältigungspotential von beiden Partnern stark herausfordert und auch überstrapazieren kann. So steht die Mehrzahl der Paare, in welcher einer der Partner untreu war, vielfach vor erheblichen psychischen Herausforderungen.
Nach über 20 Jahren Ehe haben Anna Weiss (Autorin) und ihr Mann Alexander ihre Beziehung geöffnet.
- Das Tabuthema offene Ehe, Vertrauen und Sex mit Fremden -
Brauchen wir wirklich Monogamie, um uns in einer Beziehung unsere Liebe zu beweisen? Auf diese Frage hat Anna Weiss eine deutliche Antwort: - Nein.
Vor fünf Jahren öffneten die Autorin und ihr Mann ihre Ehe – ein Schritt, der die Partnerschaft des Paares auf eine neue Ebene gehoben hat, wie sie sagt. Anna Weiss hat über ihre Erfahrungen, Vorteile aber auch die Tabuisierung offener Beziehungen ein Buch, wie Eingangs erwähnt, namens "Co-Fucking" geschrieben.
Im Buch zeigt Frau Weiss ihren Weg in die offene Ehe auf, Dating-Regeln und vorallem die Tabuzone, in der sich weibliche Lust - auch im Jahr 2024 - vielfach noch befindet.
Zwei zentrale Fragen wurden im Buch herauskristallisiert:
Wie kam es dazu, nach 25 Jahren die Beziehung zu öffnen ?
Wie kam es zu der Überlegung, die monogame Beziehung zu öffnen?
Frau Weiss:
" Das war im Sommer vor fünf Jahren. Mein Mann war einige Zeit mehr in sich gekehrt, wehrte meine Fragen jedoch ab. Eines Abends aber, als wir gerade mit einem Eis in der Hand spazieren gingen, hakte ich nach – und bekam eine Antwort: "Du weißt ja, dass ich auch auf Männer stehe. Das würde ich gern ausleben, mit dir an meiner Seite", sagte er."
Die Reaktion auf die Antwort, beschrieb Frau Weiss folgendermaßen:
" Ich war anfangs fassungslos und bekam wahnsinnige Angst. "Das ist der Anfang vom Ende", dachte ich mir. Denn wie sollte so etwas funktionieren? Das konnte ich mir damals nicht vorstellen. Wir haben danach viel miteinander geredet und mein Mann hat mir dabei immer wieder klargemacht, dass er mich liebt und sein Leben weiterhin mit mir verbringen will. Ich verstand, dass er das alles mit mir – und nicht ohne mich – machen wollte. Das brachte mich zum Umdenken: Brauchen wir wirklich Monogamie, um uns unsere Liebe zu beweisen?
- Nein! "
(Dieser Teil des Buches ist evolutionsbiologisch betrachtet eine Absudität und zeigt in welchen Zwangs- und Zweckgemeinschaften sich viele Menschen jahrelang in Beziehungen befinden.)
Es ging wohl eher darum, dass einer von vielen Männern, die sich in einer vermeintlichen Hetero - Beziehung befanden, jahrelang nach außen hin ein "geordnetes" Familienglück simmulierten und der homosexuelle Mann seiner wahren Triebhaftigkeit Ausdruck verleihen wollte. Homosexualität ist angeboren und kein "frei" wählbarer Lebensstil. (Zitat: Prof. Dr. Ulrich Kutschera)
Auch der heute aus der Genderideologie (John Money) resultierende "homo - lifestyle", den es natürlich nicht gibt, ist keine Begrifflichkeit die einen reellen, frei wählbaren Lebensstil darstellt, sondern eine ideologische Absudität verkörpert. Es sind und bleiben, aus faktenbasierter evolutionsbiologischer Sicht, entwicklungsgestörte, oft auch nicht - reproduktive, Individuen. ("sterile, a - sexuelle Erotik - Duos ohne Reproduktions - Potential") I. d. R. Adoption eines Kindes bei Homopaar. (Lebenspartnerschaftsgesetz etc.) Auch bergen Homo - Ehen, nur am Rande erwähnt, ein erheblich höheres Gefahrenpotenzial von Missbrauchsfällen. (Pädophilie) Nichts in der Natur ist perfekt, unsere Evolutionsbiologie betreffend. Die "postfaktische Kritik" dahingehend, kommt interessanterweise, fast ausschließlich, von Sozialwissenschaftlern die vielfach selber eine Biophobie haben, oder jenen die glauben über ihrer eigenen Biologie zu stehen. Wir können - und das ist ein Faktum - unserer Biologie nicht entkommen.
Die Homo - Ehe, wie von Prof. U. Kutschera öffentlich, als "staatlich geförderte Pädophilie zu bezeichnen", halte ich für zu "exorbitant" ausgeführt. Dennoch bleibt festzustellen: Nur weil ein Zusammenhang statistisch gesehen nicht signifikant ist, kann durchaus eine gewisse biologische Kausalität in der Sache bestehen. Signifikant ist jedoch, dass hetero Kinder aus derartigen Ehen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, mit erheblichen sozialen Problemen konfrontiert werden. Wie auch immer,... Nur die synthetische Biologie hat das Potenzial zum "Perfektionismus", die uns in den kommenden Jahren noch "begegnen" wird. Dagegen war COVID-19, die "Gain of function - Forschung" (GOFR) ein "laues Lüftchen",...
Und selbstverständlich kann auch ein homoerotischer Mann mit (s)einer Frau ein Kind zeugen, auch wenn er möglicherweise nur eine vermeintliche (keine) sexuelle Lust dabei empfindet oder diese nur vorgibt und der Akt zu einer Art "Pflichtübung" mutiert. Das wird, sehr zum Leidwesen der Frau, millionenfach in Ehen praktiziert. Stichwort Zwangs- & Zweckgemeinschaften; Die Dunkelziffer, wo sich homoerotische Männer in vermeintlichen Hetero - Ehen befinden, ist derzeit nicht aufschlüsselbar. Denn Fakt ist, es gibt keine reellen staatischtischen Werte dazu.
Auch der Anglizismus - "outing" - siehe den jüngsten Beitrag in Bezug auf das "coming - out" z. B. von Ralf Schuhmacher (07/2024), deren Begrifflichkeiten Anfang der 90er Jahre aus der Schwulen- und Lesbenbewegung aus den USA zu uns kamen zeigt, dass es selbstverständlich für die selbstbewusste Selbstbestimmung dieser Menschen ungemein wichtig sein kann, auch über das persönliche Umfeld hinaus, sich nicht mehr versteckt, sondern offen und "neu" definieren zu können. (LGBTQIA* – lesbisch, schwul, bisexuell, intersexuell, queer, trans – - Community seit den 70er Jahren. Sehen Sie zu diesem kleine Exkursus auch den unteren Link.)
Arthur Schopenhauer - Parerga und Paralipomena - eine Analyse (LINK)
Was bedeutete die offene Beziehung für die Ehe?
"Wir haben jetzt nicht nur mehr, sondern auch besseren Sex. Vor allem aber hat uns die offene Beziehung näher zusammengebracht. Wir waren vorher schon sehr eng. Jetzt aber vertrauen wir uns noch mehr. Wir geben uns Freiheiten, wissen gleichzeitig aber auch, dass wir uns das Wichtigste im Leben sind – das ist ein wahnsinnig tolles Gefühl! Deswegen sage ich mittlerweile auch: Die offene Ehe ist für mich die ehrlichste Form der Liebe".
- Möglich, dass das für diese individuelle Beziehung zutrifft. (Konjunktiv)
Und was bedeutet die offene Beziehung für die Autorin persönlich?
"Sehr viel! Auch wenn ich es anfangs für undenkbar hielt: Ich lebe das Leben, das ich möchte. Deswegen habe ich auch "Co-Fucking" geschrieben. Ich möchte anderen Menschen Mut machen, über andere Beziehungsformen nachzudenken. Denn selbst wenn man sich nach dem Lesen von "Co-Fucking" gegen eine offene Beziehung entscheidet, ist man hoffentlich offener für Neues – und ich bin mir sicher, dass uns allen mehr Offenheit guttun würde".
"Die Offene Beziehung" könnte das Modell der Zukunft sein, so Frau Weiss,...
Auf die Frage die sich jeder Leser wohl stellt, inwiefern hierbei nicht nur die sexuelle, sondern eben auch die persönliche (emotionale) und selbstbestimmte Komponente eine Rolle spielt, schreibt Fr. Weiss:
" Eine sehr große! All die Dates und Treffen haben mich selbstbewusster gemacht. Ich habe gemerkt, dass ich Grenzen ziehen muss, wenn ich etwas nicht möchte. Finde ich den Typen total unsympathisch? Dann muss ich das Date beenden. Und wenn ich an einem Tag nur knutschen und/oder Petting aber keinen Sex will, muss ich das sagen.
Früher habe ich ungern "Nein" gesagt, in der Familie und bei der Arbeit. Heute stehe ich viel mehr für mich ein. Eine der größten Veränderungen war beruflich: Ich habe meinen Job gekündigt und mich selbständig gemacht. Jetzt bin ich meine eigene Chefin".
Der Gedanke, Sex mit Fremden zu haben, erscheint monogam lebenden Menschen häufig nur schwer umsetzbar. Auch die Autorin beschreibt entsprechende "Hürden":
"Das ging mir genauso! Wie soll ich mit fremden Menschen ins Bett gehen, mich nackt vor ihnen ausziehen? Das konnte ich mir zuerst überhaupt nicht vorstellen. Dann aber war ich doch neugierig, habe es zum ersten Mal ausprobiert, nach 20 Jahren, in denen ich nur mit meinem Mann Sex hatte – und hatte Spaß! Es war einfach nur Sex, mehr nicht. Das hat bei mir einen Schalter umgelegt. Ich habe gemerkt, dass das meine Liebe für meinen Mann nicht verringert, sondern eher noch vergrößert: dass wir uns so vertrauen und uns diese Freiheiten geben!
Aber auch gewisse Regeln oder eine Art Vetorecht, wurde von der Autorin und ihrem Mann innerhalb der Beziehung vereinbart;
Sie schreibt in Ihrem Buch, die offene Ehe sei nämlich kein "Freifahrtschein zum Herumvögeln"
Sex nur mit Kondom, das war unsere erste Regel. Ein Vetorecht haben wir nicht explizit festgelegt, das ist auch noch nicht vorgekommen. Aber klar: Wenn einer von uns Bauchschmerzen mit einem Date hätte und das sagen würde, dann würde der oder die andere natürlich nicht hingehen. Unsere Beziehung steht an erster Stelle"
Die "Dates" werden also innerhalb Ihrer Ehe kommuniziert.
Die Beziehung auch irgendwann wieder zu schließen und zurück in die Monogamie zu kehren, erscheint der Autorin nach eigenem Bekunden nicht mehr möglich.
" Vielleicht kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem wir beide keine Lust mehr auf andere Menschen haben. Für uns wäre das aber trotzdem noch eine offene Beziehung, weil es dabei nicht nur um Sex geht, sondern um eine Grundeinstellung und um Freiheiten, die man sich gegenseitig gibt.
In einer Studie rund um offene Beziehungen aus dem Jahr 2023 äußerten Frauen öfter die Befürchtung, dass ihnen die Gefahr, sich bei einem mehrgleisigen Sexualleben zu verlieben, zu groß erscheine.
Für die Autorin ist diese Vorstellung nicht nachvollziehbar. Sie stellt in ihrem Buch klar:
"Frauen haben auch einfach mal nur Lust auf Sex, ohne dabei gleich an Nestbau zu denken. Ich glaube, dass uns Frauen lange Zeit sehr erfolgreich das Gegenteil eingeredet wurde. Die freie weibliche Sexualität wurde über Jahrhunderte hinweg tabuisiert – und wird es noch heute oft".
- Womit Frau Weiss durchaus Recht haben dürfte! Aus diesen Dates sind lt. Frau Weiss keine neuen Beziehungen entstanden.
Zitat:
"Ich jedenfalls habe mich noch nie neu verliebt, egal, wie schön ein Date war. Und selbst wenn: Es gibt ja Menschen in polyamoren Beziehungen. Liebe ist kein Kuchen, den man aufteilt. Man liebt doch auch das erste Kind nicht weniger, wenn das zweite da ist.
Wo stehen wir im Jahr 2024, wenn es um die Akzeptanz und Offenheit rund um offene Beziehungsmodelle geht?
"Seltsamerweise sind Affären und Seitensprünge noch immer normaler als offene Ehen. Dabei wird in offenen Beziehungen niemand bewusst hintergangen, was für mich ein klarer Vorteil ist. Doch es ist einfacher zu lügen, als ehrlich zu sein – auch sich selbst gegenüber.
Was möchte ich? Was will ich von dir? Das trauen sich viele nicht zu sagen, vielleicht wissen sie es auch nicht. Gerade in Langzeitbeziehungen verdrängen viele ihre Sehnsüchte und werden unglücklich. Aber das muss nicht sein. Denn wie ich selbst erlebt habe, lohnt es sich, für die eigenen Wünsche einzustehen. Dann kann etwas Spannendes und Neues daraus entstehen. Traut euch"!
Autorin Anna Weiss ist sicher: "Gerade in Langzeitbeziehungen verdrängen viele ihre Sehnsüchte und werden unglücklich. - Das muss nicht sein! - It doesn´t have to be like this
Ausschnitt des zwar sehr anspruchslos geschriebenen, jedoch sehr amüsanten Buches:
Inhalt (komplett)
Vorwort: 1 + 1 = unendlich 6
Kapitel 1: Spinnt der!? 8
Kapitel 2: Ist doch nur Sex –
das erste von vielen ersten Malen 14
Kapitel 3: Auch dieses Spiel hat Regeln 22
Kapitel 4: Pandoras Büchse 30
Kapitel 5: Neues Selbstbewusstsein mit Hängebusen 38
Kapitel 6: Der Albtraum vom Küsschen-Smiley 46
Kapitel 7: Frauen UND Männer! – Ein Kapitel von Alex 54
Kapitel 8: Das Ende vom Wenig-Sex 65
Kapitel 9: Unser erster Dreier – mit Ottifant 74
Kapitel 10: Pleiten, Pech und Pannen 83
Kapitel 11: Küsst Dornröschen wirklich nur einen
einzigen Prinzen? 91
Kapitel 12: Es juckt! 99
Kapitel 13: Ist die Königin entthront? 107
Kapitel 14: Schluss mit den blöden Witzen! 115
Kapitel 15: Benutzt 122
Kapitel 16: Mansplainer im Bett 131
Kapitel 17: Sexy Vokabeln lernen 139
Kapitel 18: Schöner, besser, öfter 145
Kapitel 19: Keine Lust 152
Kapitel 20: Sünde 161
Kapitel 21: Vielleicht verliebt 171
Kapitel 22: Geistesblitz beim Pegging 179
Kapitel 23: Interessiert euch wirklich nur das eine? 189
Kapitel 24: I kissed a girl 194
Schlusswort: Kein Zurück 200
Dank 206
Impressum 208
Vorwort
1 + 1 = unendlich
Mein Leben lang habe ich gelebt wie die meisten anderen Menschen um mich herum: monogam. 20 Jahre war ich mit meinem Mann Alex zusammen und glücklich verheiratet. »Das ist für immer und ewig, nur wir beide.« Dachte ich. Doch dann kam alles ganz anders. Glücklich verheiratet sind wir immer noch. Allerdings gibt es mittlerweile nicht mehr nur uns beide. Denn Alex und ich leben in einer offenen Ehe, das heißt, wir haben auch Sex mit anderen Männern und Frauen. Darauf haben Alex und ich uns geeinigt. Gemeinsam. Wir geben uns Freiheiten, weil wir glauben, dass das so für uns richtig ist. Wir sind glücklich zusammen, und für uns steht fest, dass wir zusammengehören. Und ja, für den Rest unseres Lebens. Ich will hier nichts schönreden. Eine offene Beziehung ist nicht immer einfach. Es war ein wilder Sprung ins Ungewisse. Mit rudernden Armen und Atemnot. Wir mussten uns unseren Ängsten stellen, nach neuen Wahrheiten suchen, und dabei sind viele Tränen geflossen. Aber sind monogame Beziehungen immer einfach? Ist der große Unterschied nicht eher der, dass sie nicht per se verteufelt werden – anders als die offene Ehe? Eigentlich sind es immer Menschen, die noch nie in einer offenen Beziehung gelebt haben, die sagen, dass es nicht gut gehen kann.
Warum ist es normal, wenn jemand eine Affäre hat, aber unnormal, wenn ein Paar in einer offenen Beziehung lebt? Bei einer offenen Beziehung wird niemand hintergangen und verletzt. Stattdessen stehen zwei Menschen im Mittelpunkt, die sich Freiräume erlauben und gleichzeitig wissen, dass sie einander das Wichtigste im Leben sind. Viel schöner kann Liebe doch nicht sein, oder? Davon erzähle ich in diesem Buch: von dem Weg, den Liebe manchmal geht. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Beziehungsmodell für uns das richtige ist. Für uns als Paar, aber auch für uns als Einzelpersonen. Denn bei einer offenen Ehe geht es um viel mehr als Sex mit anderen Menschen. Es geht darum, einander zu vertrauen, Neues auszuprobieren und sich selbst besser kennenzulernen. Mit der Liebe des Lebens an der Seite.
Kapitel 1
Spinnt der !?
Der Moment, der unsere 20-jährige Beziehung neu definieren sollte, schien zunächst ihr Ende zu sein. Es war der Sommer vor fünf Jahren. Mein Mann Alex wirkte seit einiger Zeit niedergeschlagen, in sich gekehrt, wich meinen Fragen aber aus. An einem Abend, als wir mit einem Eis in der Hand nebeneinander durch Berlin liefen, stellte ich ihn dann zur Rede. Ich wollte endlich wissen, was los war. Auf die Antwort war ich allerdings nicht vorbereitet. »Du weißt ja, dass ich auch auf Männer stehe. Und ich möchte mit dir bis an mein Lebensende zusammen sein. Du bist mir das Wichtigste im Leben. Aber ich habe das Gefühl, dass ich so meine Bisexualität nicht ausleben kann. Das möchte ich nicht verheimlichen, vor dir nicht und vor anderen nicht. Ich will, dass du mich kennst.
Wirklich kennst.« Bitte was?! Ich blieb abrupt stehen, starrte Alex an und merkte nicht, wie mir das Eis über die Finger lief. Dass er auch auf Männer steht, wusste ich. Schon von Anfang an, als wir als Teenager ein Paar geworden waren. Wir guckten gern Filme über Schwule und von Schwulen. Einige unserer Lieblingsmusiker sind schwul. Homosexualität in der Kultur und homosexuelle Themen in der Gesellschaft: Das gehörte immer ganz selbstverständlich dazu. Aber dass Alex sein Interesse auch sexuell ausleben wollte? Während wir zusammen sind? Das war mir nie in den Sinn gekommen. Besser gesagt: Heute weiß ich, dass ich das verdrängt hatte. Ich ignorierte das lieber und nahm naiverweise an, dass sich das Thema erledigt hatte, als wir zusammengekommen waren.
Für mich gab es nur eine einzige Möglichkeit, eine Ehe zu führen: monogam. Nur wir beide, für immer und ewig. Ein anderer Weg existierte für mich nicht. Über einen »Ausrut-scher« hatte ich mal nachgedacht. Also, dass einer von uns mit jemand anderem im Bett landet. Eine Nacht wäre kein Problem, habe ich immer gesagt. Denn warum sollte ich wegen eines Ausrutschers das wegschmeißen, was wir uns über so lange Zeit aufgebaut haben? Natürlich hatte ich von offenen Beziehungen gehört. Kommunen, Sexpartys, polyamore Beziehungen mit mehreren Menschen. Davon hatte ich gelesen, es aber nie auf mich bezogen. Das war etwas für Rockstars und Hippies. Für andere eben, in einem fernen Kosmos. Aber doch nicht für mich!
An dem Tag jedoch, als Alex mir von seinem Innenleben er zählte, wurde ich plötzlich selbst damit konfrontiert. Dieser ferne Kosmos kam zu mir. In unser Zuhause. In unser Bett! Dem ersten, sehr langen Gespräch mit Alex folgten viele weitere. Oft bis tief in die Nacht, oft mit vielen Tränen. Das war sehr intensiv – und sehr anstrengend. Auf einmal nämlich sprachen wir auch über Dinge, über die wir schon lange nicht mehr gesprochen hatten. Oder über die wir noch nie gesprochen hatten. Themen, die im Laufe der Jahre auf der Strecke geblieben waren. Manche aus Gewohnheit. Manche, weil sie unbequem waren. Das tat gut, machte mir aber auch Angst. Große Angst. Ich war mir sicher, dass dies der Anfang vom Ende unserer Ehe
sein würde.
»I don’t know what you want
But I can’t give it any more«
Die Textzeile der Pet Shop Boys rotierte als Dauerschleife in meinem Kopf. Ich glaubte Alex zwar, dass er mit mir zusammen sein wollte. Aber was, wenn ich ihm nicht das geben konnte, was er brauchte? Wenn jemand anderes seine Bedürfnisse besser befriedigen konnte? Wenn jemand anderes besser für ihn wäre? Sofort hatte ich Tränen in den Augen. Immer, wenn ich daran dachte. Dann spürte ich, wie sich mein Herz zu einem harten Klumpen in der Brust zusammenzog, und es schien, als würde es aufhören wollen zu schlagen. Das tat höllisch weh und fühlte sich an, als würde etwas in mir sterben. An einem Abend gingen wir essen. In ein Restaurant, in das wir schon am Valentinstag gehen wollten, das damals aber ausgebucht war. Einige Wochen später saßen wir nun doch da, mit Blick auf die Spree, sehr romantisch. Das Essen war super, ein schöner Abend. Irgendwann aber drehte sich das Gespräch wieder um unsere Beziehung. Ich hatte mittlerweile verstanden, dass Alex bisexuell war und das auch in unserer Ehe ausleben wollte. Ich verstand, was es ihm bedeutete. Doch das war nur die Theorie. Denn an dem Abend realisierte ich, was es wirklich bedeutete: Er wollte mit anderen Menschen ins Bett gehen. Mit meinem Einverständnis. Der tickte doch nicht richtig! Ich zitterte am ganzen Körper, so wütend war ich. »Du willst mit anderen Sex haben?«, fragte ich Alex. »Und du willst es nicht heimlich tun, sondern mir davon erzählen?«
Meine Stimme war laut geworden. Ich spürte, wie das Paar vom Nachbartisch neugierig zu uns herüberschaute. Ob die alles mitgehört hatten? Kurz zuckte ich zusammen. Wie peinlich! Eine Sekunde später war es mir aber auch schon wieder egal. Ich hatte andere Sorgen. Es ging schließlich um mein Leben, das hier gerade zerbrach. Dass Alex mich nicht anlügen und es nicht im Geheimen tun wollte, war ja an sich richtig. Aber wie sollte so was funktionieren? »Tschüss, ich geh jetzt weg und steig mit einem Fremden ins Bett.«? Alles klar, dann träum mal weiter! Nein, das wurde kein romantischer Abend. In den nächsten Tagen grübelte ich über unser Gespräch nach. Ich war verletzt und fühlte mich verraten. Wie konnte Alex mir so etwas antun? Irgendwann aber ließ die Wut nach, und ich konnte klarer denken. Ich sah nicht mehr nur mich und mein Ego. Ich wollte ja auch, dass Alex glücklich war. Ich wünschte ihm, dass er fand, was er suchte, und sein Leben mit all seinen Facetten leben konnte. Das bedeutet Liebe für mich. Er sollte sich nicht für mich verbiegen. Das war mir immer klar, so sehr mich das alles verwirrte. Denn so hatten wir auch immer unsere Beziehung geführt. Wir schrieben einander nichts vor, wir verboten uns nichts. Ich hielt nichts davon, meinen Partner nach eigenen Wünschen zu verändern. Ich wollte ja auch keinen Partner, der die ganze Zeit an mir herummäkelte und mich ändern wollte. Alex hatte mich immer akzeptiert und geliebt, wie ich war. Da fand ich es nur selbstverständlich, es bei ihm genauso zu tun. Was aber bedeutete das nun in dieser Situation? Ich brauchte Zeit.
Langsam, sehr langsam ordneten sich meine Gedanken neu, und ich begann, den Weg zu sehen, der vor uns lag. Denn mit jedem Gespräch und all seinem Handeln zeigte mir Alex, wie sehr er mich liebte. Wie wichtig ihm unsere Beziehung und wie wichtig ich ihm war. Außerdem stand unsere Beziehung auf einem starken Fundament. Wir fühl ten uns sicher beieinander, miteinander. Durch unsere intensiven Gespräche, so schwer sie teilweise gewesen waren, waren wir uns sogar noch nähergekommen. Die Frage war also: Brauchen wir wirklich eine monogame Ehe, um uns diese Liebe zu zeigen? Brauchen wir Exklusivität, um uns sagen zu können, »Ich liebe dich«? Nur weil es uns unsere Eltern, unsere Freunde und Freundinnen, scheinbar alle um uns herum vorlebten, hieß das ja nicht, dass es der einzige und richtige Weg war. Vielleicht könnte es ganz schön sein, ein bisschen herumzuexperimentieren? Ich traute mich nun immerhin, etwas freier zudenken.
Alex setzte mich dabei nie unter Druck. Er wurde nie ungeduldig und sagte nie: »Du weißt, was ich will, wir haben lange genug darüber geredet, also mache ich das jetzt mal.« Stattdessen machte er mir klar, dass nichts ohne mich und ohne mein Einverständnis passieren würde. Für ihn wäre eine offene Ehe nicht möglich, wenn ich nicht wirklich dahin-
terstünde. Natürlich ist es ein Risiko, die Ehe zu öffnen. Das war uns beiden klar. Wir wussten ja auch nicht, was das wirklich bedeuten und was passieren würde. Aber nach all den Gesprächen, die sich über Monate hinzogen, entschieden wir gemeinsam: Wir wagen es. Wir vertrauen uns und öffnen unsere Ehe. Und zwar für uns beide. Jeder darf andere Männer und Frauen treffen und mit ihnen Sex haben. Wir waren erleichtert, ja, ich auch, und aufgeregt. »Lass uns das feiern«, schlug Alex vor und holte die Flasche Champagner aus dem Kühlschrank, die wir uns für einen besonderen Anlass aufgehoben hatten. Wenn das mal kein besonderer Anlass war! Der Korken knallte, doch zum Anstoßen kamen wir erst mal nicht. Dafür zum letzten Sex unserer monogamen Ehe.
Kapitel 2
Ist doch nur Sex –
das erste von vielen
ersten Malen
Ich gebe Alex einen Abschiedskuss, schlage die Wohnungstür hinter mir zu und stolpere fast die ersten Stufen hinunter, so nervös bin ich. Heute soll es passieren. Mein erstes Mal mit einem anderen Mann nach 20 Jahren mit Alex. In der S-Bahn rotieren meine Gedanken. »Worüber sollen wir bloß miteinander reden? Was ist, wenn er mich doch blöd findet? Und was soll ich überhaupt machen? Vielleicht stelle ich mich ja total bescheuert an! Dann fällt ihm auf, wie unerfahren ich bin. Ich kenne ja nur Sex mit Alex. Oh Gott!« Ich gerate in Panik. Da bemerke ich eine Mutter, die mir wohl schon länger gegenübersitzt und ihr Kind mit Brei füttert. Seelenruhig, Löffel für Löffel. Ob die auch so etwas macht wie ich? Oder das ältere Paar da hinten, das auf der Bank schweigend nebeneinandersitzt? Wenn die wüssten, was ich vorhabe! Eine halbe Stunde später bin ich endlich da, bei Andreas, einem 31-jährigen Kindergärtner mit blonder Lockenmähne. Ich hänge meine Jacke an die Garderobe im schma-
len Flur und laufe hinter ihm her ins Wohnzimmer. An der Wand kleben Plakate von Mountainbikern, die durch spritzenden Schlamm fahren. In der Ecke steht ein Wäscheständer, auf dem T-Shirts und Unterhosen hängen. Wie einladend!
Wir setzen uns aufs Sofa, Andreas stellt für mich ein Glas Leitungswasser auf den Couchtisch und guckt mich erwartungsvoll an. »Das ist also der Typ für dein erstes Mal«, schießt mir durch den Kopf. Alex hatte sein erstes außereheliches Mal schon vor ein paar Wochen gehabt.
Als er sich von mir verabschiedete, spürte ich, wie aufgeregt er war. Sein Herz pochte unter dem Hemd, er drückte mich fest an sich und küsste mich. »Ich habe dich sehr, sehrlieb«, sagte er und schaute mir in die Augen. Dann verschwand er im Treppenhaus, und ich blieb allein in der Wohnung zurück. Plötzlich spürte ich, wie leer die Wohnung war. Wie allein ich war. Ich wollte mich ablenken und lief ziellos umher. Ich entdeckte schmutziges Geschirr. Herrlich! Das musste ich natürlich sofort abwaschen. Und abtrocknen. Und wegsortieren. Dann aber war ich wieder allein. Und das Kopfkino ging los. Ich wusste, dass Alex sich mit einem netten und süßen Italiener traf. Das hatte er mir erzählt. Matteo hatte braune Augen und dunkle Haare. Verdammt! Ich sah ihn vor mir: Er hatte bestimmt einen makellosen Body, war wahnsinnig charmant und natürlich auch lustig. So ein Scheiß-Kerl.
Und dann der Sex! Ach ja, der Sex! Ich versteinerte. Was die beiden wohl gerade trieben? In meinem Kopf lief ein Horrorfilm. Jedenfalls aus meinem Blickwinkel. Ich war völlig überfordert mit der Situation und wusste nicht, was ich tun und denken sollte. Ich guckte fern und zappte wahllos hin und her. Ich machte Musik an und hörte nicht, welcher Song lief. Ich starrte ständig auf die Uhr und fragte mich, warum die Zeit an diesem Abend so elendiglangsam verging. Es waren furchtbare Stunden, in denen ich das Gefühl hatte, mir würde alles entgleiten. Ich hatte Angst, war wütend und verletzt, fühlte mich hilflos. Wir hatten uns zwar entschieden, diesen Schritt zu gehen. Aber die Praxis sah eben doch anders aus als die Theorie. Und es wurde noch schlimmer. Alex kam so spät in der Nacht nach Hause, dass ich nicht mehr auf ihn warten konnte. Ich musste am nächsten Tag früh aufstehen und deswegen versuchen, zumindest ein bisschen zu schlafen. Irgendwann merkte ich zwar, dass er wieder neben mir im Bett lag. Trotzdem schlief ich unruhig und stand wie gerädert auf.
Ich schleppte mich durch den Arbeitstag, bis dann am Nach mittag endlich Zeit war, um in Ruhe miteinander zu sprechen. Was hat Alex erlebt? Wie war es mir ergangen? Dabei wurde uns schnell klar: Das war nicht gut gelaufen. Wir haben Fehler gemacht. Wir merkten, dass wir uns nach einem Date immer sehen und zumindest kurz miteinander sprechen wollten. Das fühlte sich für beide besser an. Also beschlossen wir, dass keiner von uns die halbe Nacht wegbleiben, sondern recht zeitig nach Hause kommen sollte. Wir merkten außerdem, wie wichtig es in dieser neuen Situation war, weiterhin sehr ehrlich miteinander reden zu können. Jeder musste sagen können, was er oder sie empfand. Keine Geheimnisse. Das soll auch fürs Innenleben gelten. Egal, ob wir uns freuten oder wütend waren, ob wir Angst hatten oder traurig waren. All das durften wir sagen, und es musste erst mal so stehen bleiben können. Ohne Ent schuldigungen für die eigenen Gefühle. Ohne dass der oder die andere sich sofort angegriffen fühlte und in den Verteidigungsmodus überging. Nur und erst dann konnten wir ehrlich darüber reden und versuchen, gemeinsam eine Lösung zu finden, damit es beiden gut ging. Eines meiner größten Probleme blieb aber auch in den folgenden Wochen bestehen:
Ich konnte nicht glauben, dass Alex nur mit jemandem Sex haben konnte, ohne dass es seine Gefühle für mich beeinträchtigte. Er versicherte mir zwar: »Doch, das geht. Das sind schöne Treffen. Aber ich liebe dich deswegen nicht weniger als vorher. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.« Ich verstand es nicht. »Ich springe nicht einfach mit jemandem ins Bett«, entgegnete ich ihm. »So einfach ist das nicht. Sex ist für mich etwas Intimes, ein Ausdruck von Liebe und enger Verbundenheit. Ganz abgesehen davon: Ich kann mich nicht mal eben so vor einem fremden Mann ausziehen.« Und dann machte ich es doch. Irgendwann war ich zu neugierig – und zu trotzig. Ich sah nicht ein, dass nur Alex die Freiheiten nutzte. »Was er kann, kann ich auch.« Also lud ich mir Tinder herunter und meldete mich an. Alex war an dem Abend wieder auf einem Date, und ich hatte Zeit. Ich durchsuchte mein Handy nach passenden Fotos, was gar nicht so einfach war, denn auf den meisten waren Alex und ich zu-
sammen zu sehen. Irgendwann hatte ich dann aber zwei Bilder, lud sie hoch, schrieb einen kurzen Profiltext und fing anzu swipen.
Plötzlich poppte etwas auf meinem Bildschirm auf. »Es ist ein Match!«, stand da. Ich zuckte zusammen und schmiss vor Schreck beinahe mein Handy aus der Hand. Ich spürte mein Herz, meine Hände schwitzen. Was sollte ich jetzt bloß machen? Mein Match hieß Andreas und schrieb als Erster. »Ich mag dein Lächeln.« Ich wurde verlegen, das hatte mir schon lange kein Mann mehr gesagt. Wir schrieben ein bisschen hin und her – und verabredeten uns für den nächsten Tag. Denn ich wollte nicht länger warten, sondern dieses erste Mal so schnell wie möglich erleben und entmystifizieren. Der erste Sex mit einem fremden Mann nach 20 Jahren monogamer Beziehung, der war für mich wie eine unsichtbare Hürde in meinem Kopf, die ich überwinden wollte. Nachts konnte ich kaum schlafen, träumte wirres Zeug. Am nächsten Tag stand ich hilflos vor meinem Kleiderschrank. Rock oder Jeans? Bluse oder Pulli? Ich wühltedurch meine Unterwäsche und riss verzweifelt jedes Stück aus der Schublade. Herrje, damit konnte ich mich doch nicht blicken lassen! Auf einmal sah alles verwaschen und unsexy aus.
Ach, was soll’s! So ein Theater für einen wildfremden Kerl! Ich schüttelte über mich selbst den Kopf und zog mich endlich an. Jetzt sitze ich also bei Andreas im Wohnzimmer. Er ist be-
stimmt 15 Kilo dicker als auf seinen Tinder-Fotos. Mhh … Unterhalten kann ich mich auch nicht wirklich mit ihm. Außer »Ja« und »Nein« bringt er nicht viel heraus. Nicht optimal. Trotzdem frage ich schon nach zehn Minuten: »Wollen wir nicht gleich anfangen?« Mir ist es nämlich plötzlich egal. Ich will es hinter mich bringen und den Mythos vom ersten Mal erledigen. Jetzt. Das lässt sich Andreas nicht zweimal sagen. Sekunden später liegen wir auf der Couch, ich spüre seine Lippen auf meinen, wie seine Hände über meinen Körper gleiten und meine Brüste ertasten. »Ziehen wir um ins Schlafzimmer?«, fragt er. Ich nicke und ziehe mich dort in Windeseile aus. »Das ist ja gar kein Problem«, denke ich noch verwundert und lege mich nackt neben ihn aufs Bett. Der Sex ist überraschenderweise ganz gut. Wild, viele Positionswechsel, so wie ich es mag. Ich kann mich in dem Moment fallen lassen und habe Spaß.
Dann aber sagt er: »Ich will, dass du zuerst kommst.« Das ist ja eigentlich sehr nett und nicht selbstverständlich, wie ich bei anderen Dates später noch erleben soll. Doch ich kenne mich und weiß auch: Ich habe hier heute keinen Orgasmus. Da können wir noch stundenlang zugange sein. Sagen will ich ihm das allerdings nicht, sondern die Sache lieber ohne viel Erklärungen beenden. Da fällt mir die berühmte Szene mit Meg Ryan im Film »Harry und Sally« ein. Da, wo sie gemeinsam in einem Restaurant sitzen und sie, genau, zu stöhnen anfängt. Also drehe ich Andreas auf den Rücken, setze ich mich auf sein Gesicht, halte mich an den Metallstreben am Kopfende seines Bettes fest, schließe die Augen, lasse ihn lecken – und täusche kurz darauf einen Orgasmus vor. Ah, ahh, ahhh! Das mache ich ebenfalls zumersten Mal. Übrigens auch zum letzten Mal, weil ich es im Nachhinein ziemlich blöd finde. Doch er nimmt’s mir ab, kommt ebenfalls, und zehn Minuten später verlasse ich frisch geduscht wieder seine Wohnung.
Was ist hier gerade passiert? Bin ich das wirklich? Richtig glauben kann ich das nicht. Es ist ein bisschen so, als würde ich mich selbst von außen betrachten. Ich kenne diese Frau, irgendwie aber auch nicht. Ich kann nicht fassen, dass ich das gemacht habe. Dass ich mich fallen lassen konnte, dass ich mit einem fremden Mann, den ich noch nicht mal sexy fand, Lust empfinden konnte. Es wird noch etwas dauern, bis das alles sackt und ich es verarbeitet habe. In dem Moment aber legt sich bei mir auch ein Schalter um, und meine Zweifel sind schlagartig verschwunden. Sex mit Fremden ist gar nicht so schwer, wie ich das bisher immer gedacht habe. Und es kann tatsächlich Spaß machen. Hoppla. Vor allem aber, und das verstehe ich mit der Zeit immer mehr, hat Sex mit anderen nichts zu bedeuten – jedenfalls nichts Elementares für unsere Ehe. Im besten Fall ist es für den Moment zwar schön. Es stellt aber meine Gefühle für Alex nicht infrage. Ich liebe ihn deswegen nicht weniger. Das hilft mir auch, Alex besser zu verstehen. Es ist eben nur Sex. Dass ich das mal denken würde! Sobald ich bei Andreas aus der Wohnung raus bin, wähle ich noch im Treppenhaus die Nummer von Alex. Er geht sofort ran. »Ist alles in Ordnung?«, fragt er mich besorgt und wundert sich, dass ich jetzt schon, nach gerade mal einer Stunde, wieder anrufe. »Na klar«, sage ich, als wäre nichts gewesen. »Ich wollte dir nur sagen, dass ich jetzt wieder nach Hause komme.«
Wir legen auf, ich gehe zur S-Bahn und lasse mein Abenteuer Revue passieren. Wie ungewohnt und aufregend es war, andere Hände auf meinem Körper zu spüren! Wie unwichtig meine Unterwäsche dabei doch war! Ich merke, wie ich grinsen muss – und schaue auf. Wieder nehme ich die anderen Fahrgäste um mich herum wahr. Anders als auf derHinfahrt schäme ich mich nun aber nicht mehr. Ich finde gut, was ich gemacht habe – und das lässt mich innerlich ruhig werden. Ich fühle mich furchtlos und selbstbewusst. Was ich in dem Augenblick noch nicht weiß: Dieses erste Mal ist für mich nur das erste von vielen ersten Malen, bei denen ich in den kommenden Monaten und Jahren Neues erleben und ausprobieren werde. Nun aber fahre ich nach Hause zurück. Alex hat Kaffee gekocht, wir gehen in unser Wohnzimmer und setzen uns gegenüber an den Esstisch. Wir trinken Kaffee, essen Pastel de Nata, die ich auf dem Rückweg vom Portugiesen mitgebracht habe, und ich erzähle ihm, was ich erlebt habe. Noch ein bisschen später haben wir Sex. Erst im Wohnzimmer, dann im Schlafzimmer. Und kurz vorm Schlafenge hen noch einmal. Tollen Sex, ohne vorgetäuschten Orgasmus. Intensiv, innig, sehr vertraut. Ist das die sexuelle Rückeroberung durch meinen Mann? Davon habe ich online gelesen, als ich mich durch wildes Googeln vorbereiten wollte. Vielleicht ist es das, aber das ist mir letztlich auch egal. Denn wenn ich ehrlich bin: Ich find’s toll und bin sehr erregt.
Küsst Dornröschen wirklich nur einen einzigen Prinzen?
Als ich Alex kennenlernte, war ich im letzten Schuljahr, kurz vor dem Abitur. Alex war schon fertig mit der Schule und machte seinen Zivildienst. Eine gemeinsame Freundin lud uns beide zu einem Treffen mit ihrem Freund ein. Ob sie ahnte, dass wir zusammenpassen würden, und uns verkuppeln wollte? Darauf hatte ich eigentlich keine Lust. Ein Freund, das interessierte mich damals nicht. Ich war sehr glücklich allein. Als ich dann aber Alex sah, machte es klick. Noch heute, 25 Jahre später, erinnere ich mich ganz genau an den Moment und an das Gefühl, als ich Alex zum ersten Mal traf. Er kam zu spät, wie immer. Zusammen mit dem befreundeten Paar wartete ich am verabredeten Ort im Stadtzentrum. Langsam wurde ich ungeduldig, aber irgendwann kam Alex doch noch: Er war schmal und schlaksig, trug ein hellblaues T-Shirt mit silbernem Aufdruck der Britpop-Band Pulp, und sein schwarzer Rucksack hing schräg über seiner rechten Schulter.
Viel später sah ich den Film »A Very Murray Christmas« von Sofia Coppola. Darin fragt Bill Murray das verzweifelte Brautpaar, dessen Hochzeit gerade auf der Kippe steht, ob es sich an den Moment erinnert, als es sich ineinander verliebt hat. Daran muss ich häufig denken. Denn dieser Moment mit Alex ist genau so einer. An dem Sommerabend damals habe ich mich zwar nicht sofort verliebt. Aber Alex hatte etwas, das mich faszinierte. Das spürte ich gleich. Witz, Humor, Offenheit, Neugier. »Mit dem wird es nicht langweilig werden«, das wusste ich intuitiv. Und ich sollte recht behalten. Denn die Jahre mit ihm waren und sind perfekt. Aufregend, spannend, belebend. Für mich ist unsere Geschichte wie ein Märchen oder eine Hollywoodromanze: Ich bin darin das junge Mädchen, das die große Liebe findet und mit ihr bis zum Lebensende glücklich zusammenbleibt.
Das ist unfassbar romantisch und fantastisch – und gleichzeitig natürlich völlig schwachsinnig. Ich bin keine Prinzessin, die vom Prinzen gerettet werden muss. Warum vergleiche ich mich dann aber trotzdem damit? Das wurde mir mit dem Öffnen der Ehe nach und nach bewusst. Als kleines Mädchen bekam ich von meiner Oma »Grimms Märchen« geschenkt. Es war ein dickes, schweres Buch mit vielen bunten Zeichnungen. Immer wieder bat ich meine Eltern, mir daraus vorzulesen. Ich war fasziniert von den Geschichten. Vor allem Dornröschen hatte es mir angetan. Auf den Bildern dazu sah ich ein bildschönes, blondes Mädchen, das erst in einen 100-jährigen Schlaf fiel und dann von einem genauso schönen Prinzen wachgeküsst wurde. Am Ende heirateten die beiden. Was auch sonst? Von Rapunzel konnte ich ebenfalls nicht genug hören. Wie sie in einen Turm gesperrt wurde, ihr langes Haar herunterließ und damit ihren Traumprinzen zu sich heraufzog.
Die Märchenphase war irgendwann vorbei. In meiner Jugend aber entdeckte ich Fernsehserien und Kinofilme für mich. Bei »Friends« fieberte ich viele Staffeln mit, bis Rachel
und Ross sich schließlich ihre Liebe eingestanden. In »Dirty Dancing« litt ich mit Frances, wie sie dem unverschämt heißen Tanzlehrer Johnny näherkam, und als Rose in »Titanic« merkte, dass Jack im eiskalten Wasser erfroren war, heulte ich noch nach dem Kino Rotz und Wasser. Die Liste könnte ich lange fortsetzen: Colin Firth verdrehte mir als schüchterner Mr. Darcy in »Stolz und Vorurteil« den Kopf. »Pretty Woman« guckte ich so oft, dass ich die Dialoge von Julia Roberts und Richard Gere irgendwann mitsprechen konnte. Und wenn bei »Notting Hill« Elvis Costello »She« sang, bekam ich schon in den Anfangsminuten Gänsehaut. Alle diese Geschichten hämmerten mir über Jahrzehnte hinweg immer wieder dasselbe ein: »Du musst die eine Liebe deines Lebens finden, dann wirst du mit ihm glücklich. Für immer und ewig.« Wenn selbst eine Prostituierte ihren Märchenprinzen bekam, dürfte das doch für jede andere von uns nicht so schwierig sein.
Wie sehr mich diese Märchen und romantischen Liebesgeschichten geprägt hatten, merkte ich erst, als wir unsere Ehe öffneten. Alex war meine große Liebe, mein Märchenprinz, mein Mr. Darcy, mein Mr. Right, das wusste ich. Warum aber riskierte ich unser Happy End? Das beschäftigte mich zu Beginn sehr. Unterbewussthatte ich eine sehr eindeutige Message verinnerlicht: Unser Glück war in Gefahr, sobald wir nicht mehr zu zweit blieben. Das hatten mir Jane Austen, Julia Roberts und die vielen anderen deutlich gezeigt. Als mir das klar wurde, schaute ich genauer hin. Was genau hatte ich da eigentlich gelernt? Dass es nach dem Happy End nicht immer ganz so happy weiterging, wusste ich natürlich längst. Auch, dass es Affären, Trennungen und Enttäuschungen gab. Doch wie wurde davon erzählt? Kamen die nicht immer nur in melancholischen und düsteren Dramen vor oder waren im besten Fall die Hürden, die die Heldinnen und Helden überwinden mussten, bis sie am Ende doch zueinander fanden? Für immer natürlich.
Was all diese Geschichten bis heute gemeinsam haben, ist die scheinbar in Stein gemeißelte Grundannahme, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt unseres Lebens jeweils nur mit einem einzigen Partner glücklich werden können. Möglicherweise entlieben wir uns und verlieben uns neu. Möglicherweise haben wir im Laufe des Lebens mehrere Partner. Aber die haben wir bitteschön nacheinander und nicht nebeneinander. »Lebt monogam!« ist die klare Ansage. Das gilt auch für andere Bereiche. In der Literatur und der Musik dreht sich ebenfalls viel um Liebe – allerdings nur die exklusive Zweierbeziehung. Sobald eine dritte Person auftaucht, endet die Liebe. Es beginnen die Verletzungen, der Schmerz und das Drama. Kein Wunder, dass ich zunächst dachte: Das Öffnen der Ehe ist der Anfang vom Ende. Ich hatte es ja nie anders gelernt. Nun aber wollte ich neu lernen und umdenken.Ich überlegte: Dornröschen musste 100 Jahre im Dauerschlaf zubringen. Wollte sie danach wirklich immer nur einen einzigen Mann haben?
Ich hoffe nicht. Wer weiß, ob die Chemie zwischen ihnen überhaupt stimmte. Und Rapunzel:
Nach all der elendigen Warterei küsste sie lediglich ihren Retter? Der sah bestimmt heiß aus. Aber wollte sie ihre neu gewonnenen Freiheiten nicht trotzdem auch ein bisschen auskosten? Vielleicht sogar gemeinsam mit ihrem Helden? Ich musste kichern. Was für ein herrlicher Gedanke! Mit den Märchen war es einfach. Sie waren über 100 Jahre alt und sollten wirklich kein Vorbild für mich sein. Schwieriger war es mit Geschichten aus der Gegenwart. Auf einmal
konnte ich Filme und Serien nicht mehr so unbeschwert genießen. Egal, ob es im Kino oder bei Netflix war, ob hetero- oder homosexuelle Storys, ständig fiel mir die Sehnsucht nach einem Happy End zu zweit auf. Überall schienen mich Romanzen über die wahre, große und einzige, vor allem aber monogame Liebe zu verfolgen. Das war nur schwer zu ertragen.
Bei Instagram und Twitter wurden mir immer wieder Fotos von innig kuschelnden Tieren gezeigt. Mal waren es Schwäne, mal Otter, Kängurus oder Affen. Explizit gesagt wurde es zwar nur selten, doch die Message, die diese Bilder vermittelten, war simpel: »Schaut her, auch diese Tiere sehnen sich nach einem Leben in trauter Zweisamkeit.« Im ersten Moment dachte ich zwar »Oh, wie süß!« Doch dann machte ich mir bewusst: In der Tierwelt ist Monogamie die Ausnahme, da muss ich nichts verklären oder vermenschlichen. Überhaupt wurde »wahre Liebe« meist romantisiert und mit »monogam« gleichgesetzt. Ein Freund von uns war lange Single, hatte dann aber irgendwann wieder eine Freundin. Als die von Alex und mir und unserer offenen Ehe hörte, sagte sie: »Dafür bin ich zu romantisch.« Ich war irritiert. »Ihr seid gerade zwei Monate zusammen und du willst mir, die seit über 20 Jahren mit demselben Mann glücklich ist, etwas von Romantik erzählen?« Auch viele Medien greifen ähnliche Gedanken auf. Wenn eine Frau wie Yoko Ono nach John Lennon keinen anderen Mann mehr hat, heißt es: »Sie hat ihn wirklich geliebt.« Das kann sein. Aber bedeutet das automatisch, dass man ohne die große Liebe jahrzehntelang keinen Sex, keinen Partner mehr haben darf? Ich fände das schade. Offenbar habe ich andere Vorstellungen davon, was romantisch ist und was wahre Liebe für mich bedeutet.
Mir wurde klar, dass bei dem Thema einzig und allein ein Aspekt entscheidend war: Sex. Besser gesagt: die Rolle von Sex. Natürlich wusste ich, dass man aus purer Lust Sex haben konnte. Dafür war Liebe nicht zwingend notwendig. Trotzdem hatte ich aus Büchern, Filmen und dem gesellschaftlichen Konsens dazu ebenfalls eine romantische Vorstellung verinnerlicht: Liebe und Sex sind untrennbar miteinander verbunden. Sex kann eine Beziehung besiegeln. Sex mit dem Einen ist etwas Besonderes. Es heißt ja sogar »Liebe machen«. Wenn Alex und ich unsere Beziehung für Sex mit anderen Menschen öffneten, musste das zu Problemen führen, oder? Das jedenfalls dachte auch ich anfangs. Heute weiß ich: Das muss nicht sein. Denn es geht auch anders. Ich erinnerte mich an den Film »Friends with Benefits«. Als er damals im Kino anlief, war ich fasziniert. Später kam er mir vor wie ein Meilenstein. In meiner Wahrnehmung trennte Hollywood zum ersten Mal Liebe und Sex voneinan der: Jamie (Mila Kunis) und Dylan (Justin Timberlake) haben Sex miteinander und mögen sich. Mehr nicht. »Keine Beziehung, keine Gefühle, nur Sex«, so die Abmachung.
Bis heute prägt dieser Film die reale Datingwelt. Viele suchen »Freunde mit Vorzügen« oder »Freundschaft plus«. Auch für mich ist das ideal: Da ist jemand, mit dem ich gelegentlich einen netten Abend und Sex haben kann. Danach geht jeder wieder zu sich nach Hause, ohne Verpflichtungen und Beziehungsambitionen. No strings attached. Doch als ich mir den Film kürzlich noch einmal anschaute, sah ich plötzlich etwas anders. Denn selbst wenn »Friends with Benefits« anders als viele Romanzen anfängt, endet er doch wie alle anderen: Jamie und Dylan merken irgendwann, dass sie mehr wollen und sich ineinander verliebt haben. Sie wollen zusammen sein, nur sie beide. Schade! »Sex und Liebe gehören zusammen« – auch dieser Film transportiert das romantische Klischee. Zusammengefasst wird es von Tommy (Woody Harrelson): »Das funktioniert nie«, sagt er zu Timberlake, als der ihm von der Freundschaft plus erzählt. »Sie ist ein Mädchen. Sex bedeutet ihnen immer mehr, selbst wenn sie das nie zugeben.« Einen Gedanken im Film mochte ich dennoch. Er kommt von Lorna (Patricia Clarkson), der Mutter von Jamie. Prinz Charming komme nicht mit Pferd und Kutsche, sagt sie zu ihrer Tochter. »Dein Märchen braucht ein Update. «Stimmt! Warum hatte ich daran nicht früher gedacht?
Das galt auch für mich. Ich musste für mich selbst herausfinden: Wie definiere ich die wahre Liebe? Wie soll mein Traumprinz sein? Was für ein Happy End wünsche ich mir? Wie soll mein Märchen aussehen? Wenn ich alles ignorierte, was ich gelernt und verinnerlicht hatte, und nur in mich hineinhörte, war die Antwort schon da: Alex ist mein Traumprinz. Für mich gibt es keinen anderen, mit dem ich mein Leben teilen möchte. Die Freiheiten, die wir uns geben, sind für mich der schönste Liebesbeweis. Das ist für mich wahre Liebe.
Unser Märchen ist anders als andere. Für mich ist unsere Geschichte ein modernes Märchen.
Kapitel 12
Es juckt!
Kurz vorm Schlafen öffne ich auf meinem Handy noch einmal Twitter und gehe auf das Profil von Jimmy Kimmel. Ich kichere über seine Witze und scrolle immer weiter hinunter, bis ich einen alten Post entdecke. »Sarah Palin ist das HPV der Politik«, schreibt der US-Moderator da. »Sie liegt für eine Weile auf der Lauer und wenn du denkst, dass sie verschwunden ist, ist sie zurück.« Ich lache laut auf und lese Alex den Tweet vor. Doch als ich mich zu ihm umdrehe, sieht er mich nur entgeistert an und findet das alles andere als lustig. Verdammt! Wie kann ich nur so blöd sein! HPV, Humane Papillomviren – das ist ein heikles Thema. Die Geschlechtskrankheit raubt uns schon seit einiger Zeit die Nerven. In meinem Leben hatten Geschlechtskrankheiten nie eine Rolle gespielt. Warum auch? Alex und ich waren Jahrzehnte zusammen gewesen und hatten nur miteinander Sex gehabt. Da interessierten mich Tripper und Co nicht.
Mit dem Öffnen der Ehe änderte sich das. Denn auf einmal machten wir uns über das Risiko einer Ansteckung Gedanken. In meiner Welt schienen bis dahin HIV und Aids die größten Gefahren zu sein, vielleicht sogar die einzigen. Kondome benutzt man zum Verhüten und um sich vor HIV zu schützen, dachte ich früher. Oje, wie ahnungslos ich doch gewesen war. Ich hatte wirklich noch einiges zu lernen! Alex war derjenige, der sich von Anfang an damit beschäftigte und viel darüber las. Er erzählte mir von Chlamydien, Tripper, Syphilis, Feigwarzen, Herpes und Pilzerkrankungen. Er wusste, welche Symptome es gab, woran man sie erkannte und wie man sie behandeln konnte. Mein Kopf rauchte und ich hatte Schwierigkeiten, mir all die Details zumerken – denn sie interessierten mich nicht sonderlich. Vielleicht wollte ich mich nicht interessieren. Ehrlicherweise dachte ich anfangs nämlich, dass Alex übertrieb mit seiner – wie ich fand – Paranoia. Syphilis-Kranke, die mit eitrigen Geschwüren übersät waren, kannte ich nur aus Filmen, Historienschinken, in denen adlige Männer gepuderte Perücken trugen.
»Also, lass mich bitte mit diesen unsäglichen Fotos und Krankheitsberichten aus dem Internet in Ruhe. Ich will jetzt meine Freiheiten genießen und Spaß haben.« Doch Alex ließ nicht locker und irgendwann verstand ich, dass ich das in unserer neuen Situation nicht ignorieren konnte. Zwar waren mittlerweile einige Medikamente entwickelt worden, all diese Krankheiten gab es aber noch. Auf einmal hatte auch ich ein komisches Gefühl, wenn ich an Sex mit anderen dachte. Immerhin waren einige Krankheiten gar nicht so leicht zu erkennen und daher ziemlich einfach übertragbar. Kondome halfen zwar, sich vor ihnen zu schützen. Eine hundertprozentige Sicherheit gab es allerdings nicht – und auf Jucken im Schritt, eitrigen Ausfluss oder Pusteln in der Scheide hatte ich nun wirklich keine Lust. Ungehemmtes Herumvögeln hatte ich mir anders vorgestellt. Einige Monate nach dem Öffnen der Ehe entschieden Alex und ich erstmals, uns auf Geschlechtskrankheiten testen zu lassen.
Das sollte man mindestens einmal pro Halbjahr machen, hatten wir gelesen. Aber wo? Das war gar nicht so einfach. Frauen- und Hautärzte wären dafür zwar die richtigen Ansprechpartner gewesen. Doch wie meine Recherchen ergaben: Meist hätte ichfür einen STD-Check, also einen Test auf Geschlechtskrankheiten, zahlen müssen, um die 50 Euro oder mehr. Denn ich gehörte für die Krankenkassen zu keiner Risikogruppe. Wäre ich Prostituierte oder ein schwuler Mann, sähe das anders aus. Gerade für schwule Männer gibt es in Berlin einige Möglichkeiten, sich kostenlos und anonym testen zu lassen. Für verheiratete Frauen wie mich dagegen nicht. Wie immer gab es allerdings Ausnahmen. Zufällig erfuhren wir von einer Praxis, die kostenfreie Tests anbot, für Alex und mich. Bingo!
Vor unserem ersten Termin war ich nervös. Ob die uns schief angucken würden? Wenn wir als verheiratetes Paar aufliefen und nach STD-Checks fragten, durchschauten die uns doch sofort. Dann wussten sie, dass wir nicht nur miteinander Sex hatten. Wie unangenehm! Ich merkte, dass ich mich noch nicht wohl damit fühlte, in der Öffentlichkeit von unserer offenen Ehe zu erzählen. Dass ich als verheiratete Frau mit anderen Männern Sex hatte, schien mir selbst nicht »normal« zu sein, sondern war mit Scham verbunden. Andererseits dachte ich mir: »Steh zu dem, was du machst. Außerdem gehst du verantwortungsvoll mit der Sache um und lässt dich testen, statt als potenzielle Seuchenschleuder herumzulaufen.« Als wir schließlich in der Praxis vorstellig wurden, störte sich niemand an uns. »Ach, Sie sind für STD-Tests hier«, sagte die Arzthelferin, als wäre das nichts Besonderes. Kurz darauf saßen wir einem Arzt gegenüber und erklärten ihm, warum wirals verheiratetes Paar den Check wollten.
»Alles klar, kein Problem«, fand auch der, und mir fiel eine Last von den Schultern. Fantastisch, wie offen einige Menschen damit umgingen! Fortschrittlicher, als ich es selbst manchmal noch war. Ein paar Dinge wollte er aber noch wissen. »Sexual-Anamnese« nannte er das. Zuerst fragte er Alex. »Wie viele Geschlechtspartner hatten Sie? Haben Sie Sex mit Männern und Frauen?« Danach war ich an der Reihe. Der Arzt fragte mich: »Sie haben also nur Sex mit Männern?« Ich stutzte. »Nur Sex mit Männern«, das klang ja fast so, als wäre es zu wenig, geradezu langweilig oder prüde. Herrlich, wie eine einzige Formulierung meine Wahrnehmung veränderte. Plötzlich war ich keine promiskuitive Schlampe mehr, die vor lauter Scham rot werden musste, sondern eine ziemlich biedere Frau. »Ja, nur Männer«, antwortete ich amüsiert, »keine Frauen.
«Unsere ersten STD-Tests waren negativ, auch die, die wir in den folgenden Jahren regelmäßig machten. Dann aber bekam Alex HPV. Die Stellen an seinem Penis waren so klein, dass sie ihm selbst noch nicht aufgefallen waren. Doch als er zum Leberfleck-Check zur Hautärztin ging, schaute die sich plötzlich seinen Penis besonders genau an. »Sie haben Feigwarzen«, sagte sie. »Die werden durch Humane Papillomviren verursacht. « Alex sackte in sich zusammen. Er wusste genau, was die Diagnose bedeutete. » Die fieseste und hartnäckigste Geschlechtskrankheit wäre HPV « , hatte er mir nach all seinen Recherchen einmal gesagt. » Bei Syphilis bekommt man Antibiotika. Feigwarzen aber sind zäh, die können immer wiederkommen. « Der Arme! Genau diesen Mist hatte er nun.«
Eine offenen Beziehung ist eben nicht immer das Non Plus Ultra. - Mitnichten! - Ohne die nötige Disziplin. - Und Disziplin ist Macht! Auch Triebhaftigkeit sollte mit einer "gesunden" Disziplin ausgestattet sein (soziale Intelligenz), dann könnte sie zu einer erfüllten Sexualität führen, ansonsten eben auch zu Geschlechtskrankheiten. (Nichts in der Natur ist perfekt)
Erara humanum est! - Quot erat demonstrandum.
S. Hab, Master of Science (M.Sc.)