Die systematische Aushöhlung des Rechtsstaats


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"... the world population can exceed easily 8 billion by the year 2020. This was a major subject of discussion at the conference in Rio de Janeiro on the environment two years ago. It was pointed out at the conference that growth is most efficiently managed by the private sector, but regulation of the process by national governments and international bodies is also needed. And once again, United Nations can certainly be among the catalysts and coordinators of this process.”

 - David Rockefeller, Annual UN Ambassadors' Dinner Sep. 14, 1994





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Die Systematische Aushöhlung unseres Rechtsstaats

- ein beunruhigendes Plädoyer &

Auf den Spuren von John E. Reid: Erzwungene Geständnisse


 

Autoren:

Dr. rer. agr. J. P. Biehler 

S. Hab ( M. Sc.)

 

 

"Our specialized interrogation training seminars are designed for law enforcement, government" ...

"Unsere speziellen Vernehmungsseminare richten sich an Strafverfolgungsbehörden", ...

 



Vorwort: 


Das System sieht nicht vor, dass die Justiz sich "irrt". 

Die systematische und kategorische Verweigerung, die in vielen Prozessen in Erscheinung tritt generiert Justizopfer, die zu Opfern einer archaischen Strafgerichtsbarkeit werden. 

Hier realisiert man, dass die Mühlen der Justiz in Wahrheit zerstörerisch sind. In der Mühle geht es nicht um das Verstehen, sondern in der Mühle geht es um´s Mahlen - und man wird zerquetscht. Die Richter wissen das ganz genau. 

Selbst wenn man am Ende freigesprochen oder entlastet wird, den gesellschaftlichen Tod, haben sie erreicht.

 

Wenn ich mich aber als Bürger nicht mehr darauf verlassen kann, dass das Gesetz für ALLE gilt und wenn es vor allem auch auf ALLE gleich angewendet und durchgesetzt wird, dann ist es schlecht um unseren Rechtsstaat bestellt, dann werden seine Bürger ihm das Vertrauen entziehen, die ohnehin nur repräsentative (Schein-) Demokratie bleibt auf der Strecke, Populisten und Chaoten, Kriminelle und in- und ausländische Clans erobern immer mehr an bereits vorhandenen rechtsfreien Räumen.

Wie so oft steht hier die Frage, ob zur mutmaßlichen Terrorabwehr unter Missachtung der verfassungsmäßigen Grundrechte pauschal in die Freiheit aller eingegriffen werden darf - was im digitalen Zeitalter technisch sehr weitreichend möglich ist. Die seinerzeitigen Möglichkeiten der immer wieder weitreichend kriminalisierten Staatssicherheit der DDR, wirken in dieser Hinsicht schon lächerlich bis amateurhaft ...

Erfüllt das Grundgesetz wirklich noch eine seiner wichtigsten Aufgaben, nämlich Freiheit zu ermöglichen? Ersticken Selbstbestimmung und Verantwortung nicht längst unter einem Wust von Regelwerken, von denen viele Regularien aber gar nicht beachtet werden? Verkommt Gesetzgebung zur Symbolpolitik ?

Dabei geht es um den Wert der Freiheit, Selbstjustiz, globale Digitalisierung oder Fehlentwicklungen durch überzogene Kompetenzabgaben an europäische Institutionen. Nicht jede regelungsbedürftige oder im Prinzip regulierbare Frage etwa des Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutzes, des Zivil-, Arbeits- und Strafrechts oder der öffentlichen Daseinsvorsorge muss auf EU-Ebene entschieden werden. 

Hier könnten gegebenenfalls Kompetenzen von Brüssel auf die Mitgliedsstaaten zurückverlagert werden. Es stimmt schlicht nicht, dass wir Europa zum europäischen Bundesstaat ausbauen müssen, um den Zerfall der Union zu verhindern. Es gibt Alternativen.

 

Die Frage ist: Wie weit wird es in diesem Land noch kommen?“ Es ist das, was wir aus George Orwells Roman 1984 als „vaporisieren“ kennen, das, was Franz Fühmann in „Pavlos Papierbuch“ beschrieben hat, das, was in unserem naiven Gehirn „das Undenkbare“ heißt. Es ist eine Wahrheit heute nebenan.

 

Wenn Richter vor Landtagsgremien Schreibmaschinen suchen dürfen oder über die Linkshändigkeit ihrer Handballkumpel schwadronieren, trau‘n wir uns im Gegenzug, von einem Albtraum zu erzählen; vielleicht war es auch ein Wachtraum:

 

Der Kern des Mollathskandals war bisher, daß die soziale Existenz eines Menschen systematisch vernichtet wurde, weil er es gewagt hatte, die Steuer- und Schwarzgeldkriminalität eines zunächst regionalen Reichtums-, Macht- und Herrschaftsfilzes aufzudecken und anzuzeigen. Das wurde ausgelöst durch einen Beziehungszwist und war möglich, weil sich letzterer zumindest zum Teil im

 

„Herz der Finsternis“, nämlich der Bankenkriminalität, abspielte. Um den genannten Kern gruppierte sich von vornherein ein komplexer, aktiver Zusammenhang einflußreicher Personen aus den Bereichen (zusätzlich zum Bankbereich), Politik, Justiz, Psychiatrie, Polizei. Dieses Personengefüge agierte auch überregional, mindestens im Maßstab des Landes Bayern.

Der Mollathskandal entwickelte sich im wesentlichen ab dem Jahr 2002 und erreichte mit dem Urteil vom August 2006 einen ersten Höhepunkt. All das geschah so, daß die demokratische Öffentlichkeit faktisch nichts bemerkte (mit Ausnahme einer Ausländerin (!), die Brixners Prozeßführung beobachtet hatte (und ihr Erschrecken kundtat). Ob es die „demokratische“ Nichtöffentlichkeit, sprich der Verfassungsschutz, bemerkt hat, ist unbekannt. Wir sind gespannt, wie lange diese Seite noch auf dem Server der Süddeutschen Zeitung verbleibt. 

Zitat: 

"Inzwischen haben sich viele der Vorwürfe, die Mollath über dunkle Bankgeschäfte erhoben hatte, als zutreffend erwiesen".

 

https://www.sueddeutsche.de/bayern/fall-mollath-vom-richter-maltraetiert-und-provoziert-1.1531706

 

Es war die Ära des Innenministers und – zumindest soweit es Mollath betrifft – Beckstein, die Zeit von fünf sog. Dönermorden in Bayern + dazugehöriger „Aufklärungsarbeit“, die Zeit der mutmaßlichen Justizskandale Ulvi Kulac nachfolgend Ulvi K. (2001-2004) und der Familie des Bauern Rupp (2001-2005). In den letztgenannten Fällen wurde vermutlich die Reid-Verhörmethode angewandt, knapp als Methode zur Geständniserpressung zu charakterisieren.

 




Diese Methode, die gegen Bestimmungen der StPO verstößt wie später noch aufgezigt werden wird, wurde unter Becksteins Ägide ab 1999 in der Bayerischen Kriminalpolizei eingeführt. Der Fall Mollath erlaubt Feststellungen. Er gewährt Einblicke, verlangt Einschätzungen und Bewertungen. Beziehungen werden sichtbar und können beschrieben werden. Logische Gebilde (Aussagesätze), die freischwebend langweilen könnten, sind zu verzahnen. Drängt da die Wirklichkeit zum Begriff ?  

 

* Es geht um Geld, viel Geld. Noch mehr: Es geht um Geldvermehrung, schrankenlose. „Geld machen“ als Existenzweise. In diesem Sinnen geht es – den von Gustl Mollath namentlich exakt  bestimmten Leuten und ebenso (noch mehr ?) Leuten, die nicht benannt sind – um die Existenzfrage.

* Der Angriff auf die Existenz verlangt Abwehr, nicht irgendeine, sondern eine, die die Gefahr nachhaltig, gar endgültig bannt. Um diesen Zweck zu erreichen, gibt es bewährte Instrumente: – 

Der Angreifer wird zum prinzipiell minderwertigen Wesen erklärt (Untermensch). 

https://www.sueddeutsche.de/bayern/justiz-in-bayern-raeumung-von-mollaths-haus-wohl-rechtswidrig-1.1674458

Er ist entweder ein Mensch mit Migrationshintergrund, Neger (Hottentotte), notfalls Asylant gerne auch Verrückter bzw. ein nicht Bestechungswürdiger. - Der Angreifer wird niedergehalten. Da er nicht gekauft werden kann und sein Leben noch nicht endet, wird er verwahrt. Um physisch niedergehalten zu werden. Er unterliegt einer Form anhaltenden Terrors.

* Dieses Ergebnis wird erreicht durch das Zusammenwirken direkter staatlicher (im konkreten Fall - rechtsstaatlicher) Institutionen (Justiz, Polizei) mit staatlich beauftragten Institutionen (Psychiatrie) mit einzelnen interessierten, höchst aktiven Kräften/Personen „der Zivilgesellschaft“.

* Das Ergebnis wird begleitet/gesichert (und ebenso der Kampf gegen das Ergebnis wird „begleitet“) von einem intensiven Sperrfeuer der Agitation und Propaganda verschiedener (zahlreicher !) Akteure.


 

Die Technik, die heute in Deutschland angewendet wird, ist an die Reid-Methode angelehnt und wird harmlos als „Verhaltens-Analyse-Interview“ bezeichnet. Die Methode á Detail: 

 

Udo Nagel hatte die Methode damals, anfangs als Kriminaldirektor in München, später als Polizeipräsident in Hamburg nach Deutschland geholt. Mittlerweile wurden mehrere (wenn nicht sogar alle) deutschen Strafverfolgungsbehörden in dieser Methode geschult. Dafür wurden Experten aus den USA eingeflogen, denn die Technik ist markenrechtlich geschützt.

 

Anfang der 2000er Jahre absolvierten über hundert bayerische KriminalbeamtInnen Fortbildungskurse in der aus den USA importierten Reid-Vernehmungsmethode. Deren Gefahren zeigen sich u.a. in den Ermittlungen zur NSU-Mordserie und im Fall der ermordeten neunjährigen Peggy K. aus Oberfranken.

 

Erfinder und Namensgeber der Reid-Methode

Entwickelt wurde die Methode bereits im Jahr 1948 von John E. Reid, einem Polizeibeamten aus Chicago. Er hatte (aus einem Bauchgefühl heraus) eine Technik entwickelt, mit der er in seinen Verhören selbst die „härtesten Hunde“ knackte. Dabei mischte er harmlose mit provozierenden Fragen – und beobachtete die körperlichen Reaktionen des Verdächtigen. Die Kollegen nannten ihn ehrfürchtig den „menschlichen Lügendetektor“. Heute gehört die Reid-Methode u.a. zu den Standard-Verhörtechniken beim FBI und anderen Regierungsorganisationen.

 

Die auf die Angehörigen der neun migrantischen Mordopfer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) und Betroffenen der rassistischen Anschläge fokussierten Ermittlungen geraten in der medialen und parlamentarischen Aufarbeitung zunehmend in Vergessenheit. Auch in dem seit fünf Jahren andauernden Prozess vor dem Oberlandesgericht München gegen Beate Zschäpe und ihre Mitangeklagten mussten NebenklagevertreterInnen hart darum kämpfen, dass die Ermittlungsführung überhaupt thematisiert werden konnte.

 

„Die Ermittlungsbehörden haben die Angehörigen nicht als Opfer von rassistischen Gewalttaten wahrgenommen, sondern sie kriminalisiert und diffamiert. Sie wurden als Beteiligte an kriminellen Machenschaften gesehen, die angeblich in organisierte Kriminalität, in Banden- und Rauschgiftgeschäfte, in Prostitution verstrickt waren. Nur weil im rassistischen Weltbild dieser Ermittler schlicht nicht vorkam, dass Menschen nichtdeutscher Herkunft Opfer rassistischer Gewalt werden“, lautete das bedrückende Resümee von Angelika Lex, der im Dezember 2015 verstorbenen Münchener Rechtsanwältin und Nebenklagevertreterin von Yvonne Boulgarides.

 

Die unmittelbar an der sogenannten „BAO Bosporus“ beteiligten Ermittler haben sich allerdings bislang konsequent geweigert, einzugestehen, dass ihr von institutionellem Rassismus geleitetes Vorgehen sowohl die Hinterbliebenen der Mordserie als auch die Verletzten der Anschläge des NSU traumatisierte und letztendlich eine erfolgreiche Ermittlungsarbeit verhindert hat. 

 

Beispielhaft dafür ist die Zeugenaussage des langjährigen Leiters der Münchener Mordkommission 5, Josef Wilfling, am 11. Juli 2013 vor dem OLG München. 

 

Auf den Vorwurf von NebenklagevertreterInnen, nach dem Mord an dem Münchener Gemüsehändler Habil Kilic am 29. August 2001 seien die von ihm angeordneten Ermittlungsschritte von rassistischen Stereotypen, aber nicht durch Fakten geleitet gewesen, lautete Wilflings wütende Antwort: „Jetzt wollen wir mal bitte nicht so tun, als ob es keine türkische Drogenmafia gibt.“

 

Die Reid-Methode in Bayern

Eine weitere beunruhigende Leerstelle in der Auseinandersetzung mit der Art und Weise der Ermittlungsführung vor allem bei den fünf in Bayern verübten NSU-Morden ist die Frage, inwieweit die Teilnahme von mindestens zwei Beamten der sogenannten „BAO Bos­porus“ in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu den Česká-Mordermittlungen an Schulungen in der umstrittenen US-amerikanischen Reid-Verhör­me­tho­de dies befördert hat.

 

Anfang der 1950er Jahre wird eine vom ehemaligen Chicagoer Polizisten John E. Reid entwickelte Verhörmethode etabliert, mit der sodann mutmaßliche Tatverdächtige vernommen werden sollen: Ziel ist es, die im polizeilichen Gewahrsam befindliche Person zu einem Geständnis zu bringen – auch mithilfe von falschen Vorhalten und langen Sequenzen äußerst manipulativer Fragen.

 

Einen wissenschaftlichen Anstrich erhält die Methode dadurch, dass sie den Ermittlern einen strukturierten Ablauf für die Vernehmung von Beschuldigten insbesondere bei schweren Straftaten wie Tötungsdelikten und Vergewaltigungen sowie vermeintliche psychologische Tipps zur Interpretation von bestimmten Verhaltensmustern an die Hand gibt. So gilt beispielsweise das Vermeiden von Augenkontakt durch die oder den Beschuldigten als ein Hinweis dafür, dass eine Person die ihm oder ihr vorgeworfene Tat begangen hat.

 

Die Reid-Methode gliedert sich in drei sogenannte „Phasen“: die „Verhaltens-Analyse-Befragung“ (Behavioral Analysis Interview) als Phase I, die „neun Vernehmungsstufen“ bzw. -schritte, die im Mittelpunkt der Reid-Methode stehen, in Phase II und die schriftlichen Protokollierung eines Geständnisses in Phase III.

 

In der circa dreißigminütigen Phase I soll dem Tatverdächtigen eine Reihe scheinbar harmloser Fragen gestellt werden, um die Verhaltensmuster der befragten Person kennenzulernen und einzuschätzen. Darüber hinaus sollen sogenannte „verhaltensprovozierende Fragen“ gestellt werden, die bei der vernommenen Person Stress auslösen und ein vom üblichen Verhaltensmuster „abweichendes“ Verhalten provozieren sollen. 

 

Dafür stellt die „Reid-Technik eine Reihe von Standardfragen und eine Kategorisierung von Verhalten zur Verfügung, wonach der bzw. die Vernehmer anhand von bestimmten Verhaltensmustern erkennen sollen, ob sich eine Person wahrheitsgemäß äußert oder lügt“.

 

Zum Schluss der „Verhaltens-Analyse-Befragung“ soll die sogenannte „Köder-Frage“ gestellt werden. Darin sollen die VernehmerInnen andeuten, dass belastende Beweismittel gegen die Beschuldigten existieren würden. Die Beschuldigten sollen durch Fragen wie „Wer könnte Sie vom Tatver­dacht entlasten?“ oder ...,

 

„Wie fühlen Sie sich, wenn Sie zu dieser Tat be­fragt werden?“ zu Reaktionen provoziert werden, die dann anhand der Reid-Kategorisierung entweder als Belege dafür dienen, dass die beschuldigten Personen der Phase II unterzogen werden soll – oder aus der Vernehmung entlassen wird. Diese Bewertung soll durch zwei BeamtInnen getroffen werden.

 

Die Phase II umfasst dann die „neun Vernehmungsstufen“ nach Reid. Bei der ersten, der „Direct Positive Accusation“ – dem direkten positiven Tatvorwurf, wird den tatverdächtigen Per­sonen in einer Art Standardformulierung der Tatvorwurf derart vorgehalten, dass ihnen suggeriert wird, die ErmittlerInnen gingen ohnehin von ihrer Schuld aus. 

In Reid-Seminaren wird den TeilnehmerInnen empfohlen, routinemäßig zur Eröffnung der Vernehmung den Satz zu verwenden: „Unsere Ermittlungen gehen davon aus, dass Sie die Tat begangen haben“. 

Während unschuldige Vernehmungspersonen auf der­artige Vorwürfe schockiert und überrascht reagieren würden, so die Reid-TrainerInnen, würden die TäterInnen die Vorwürfe bestreiten und Augenkontakt vermeiden.

 

In der zweiten Stufe, dem „Theme Development“ – der Hypothesenentwicklung, hält einer der ErmittlerInnen einen etwa zehnminütigen Monolog, in dem die Tat und ihre Begehungsweise ge­recht­fertigt werden; beispielsweise dadurch, dass einem Vergewaltigungsopfer die Schuld für die Vergewaltigung gegeben wird, weil sie aufreizende Kleidung getragen und „es gewollt habe“ oder indem auf Beispielfälle mit SympathieträgerInnen als TäterInnen verwiesen wird. 

 

Grundsätzlich geht es bei dieser „Themenbildung“ darum, zum einen realistisch erscheinende Hypothesen zur Tatbegehung zu entwerfen, zum andern die moralische Verwerflichkeit einer Tat zu minimieren und so­mit die Hemmschwelle für ein Geständnis zu senken. 

Dieser Schritt zwei soll zudem den Druck auf die Beschuldigten dadurch weiter erhöhen, dass in dem Monolog die VernehmerInnen ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass die Tatverdächtigen die Tat auch begangen haben.

 

In der dritten Stufe, „Handling Denials“, geht es darum, wie die Vernehmenden auf das Leugnen der Schuldvorwürfe durch die Tatverdächtigen reagieren sollen. Dabei sollen die Verdächtigen scheinbar die Möglichkeit erhalten, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Gleichzeitig sollen die VernehmerInnen aber jegliche Einsprüche „ruhig, aber energisch“ unterbinden und stattdessen die „Themenbildung“, also das Ent­wickeln weiterer Tatablaufs-Hypothesen vorantreiben. 

 

Das Reid-Hand­buch behauptet, dass sich in dieser Phase unschuldige Personen daran erkennen ließen, dass sie sich weigern würden, an der Vernehmung weiter teilzunehmen und vehement auf ihre Darstellung beharren. Schuldige Personen hingegen würden lediglich höflich darum bitten, dass ihnen das Wort erteilt werde.

 

In der vierten Stufe, dem „Overcoming Objections“ – dem Überwinden von Einwänden, sollen die Einwände der vernommenen Personen zwar angehört, aber lediglich als Beweise für deren Schuld in eine neue „Hypothesenbildung“ einbezogen werden.

 

In der fünften Stufe, dem „Attaining the Subject’s Attention“, der Wiedererlangung der Aufmerksamkeit der mittlerweile erheblich unter Druck stehenden, mutmaßlich erschöpften und in-sich gekehrten Beschuldigten, sollen die Vernehmungspersonen physisch näher an die beschuldigte Person heranrücken, sie beispielsweise auch berühren und dafür sorgen, dass der Gesprächsfaden nicht abreißt, damit die Beschuldigten keinen Raum hat darüber nachzudenken, welche Konsequenzen ein etwaiges Geständnis tatsächlich haben könnte.

In der sechsten Stufe, dem „Handling the Subjects Passive Mood“ – dem Umgang mit der passiven, zurückgezogenen Stimmung der Verdächtigen, würden laut Reid-Handbuch schuldige Personen nun „innerlich mit sich ringen“, ob sie wahrheitsgemäß aussagen oder weiter leugnen sollen, was die ErmittlerInnen u.a. an der Körpersprache wie beispielsweise einer in sich zusammengesunken Körperhaltung, nervösen Ticks oder lautem Weinen bzw. leisem Schluchzen erkennen würden. 

Ein derartiges Verhalten sei auch als Ausdruck von Scham oder Schuldgefühlen über die begangene Tat zu werten, lehrt Reid, und damit als ein weiterer „Beweis“ für die Schuld der Tatverdächtigen. Deshalb sollen die VernehmerInnen vermeintlich verständnisvoll reagieren sowie die Tathypothese dann auf ein oder zwei Sätze zuspitzen.

 

In Stufe sieben, dem „Presenting the Alternative Question“ – der Darstellung von zwei vermeintlichen Alternativen, bieten die Ver­neh­mer­­­­­­­Innen den Beschuldigten zwei Antwort-Alternativen auf eine Frage an, die aber je­­weils beide ein Schuldeingeständnis beinhalten. Die eine „Alternative“ bietet dabei eine scheinbar moralisch vertretbare Rechtfertigung für die Tatbegehung. Die andere „Antwortalternative“ soll möglichst moralisch so verwerflich dargestellt werden, dass die Beschuldigten sich quasi automatisch für die scheinbar akzeptable Begründung für ihre (vermeintliche) Tat entscheiden. 

 

Dabei werden die VernehmerInnen in den Reid-Trainings dazu angehalten, keine andere Art der Antwort durch die Beschuldigten zu akzeptieren und darauf zu bestehen, dass die Beschuldigten sich für eine der beiden vorgegebenen Antworten entscheiden.

 

In Stufe acht, dem „Obtaining the Verbal Confession“ – dem Erhalt des mündlichen Geständnisses, sollen die VernehmerInnen durch offene Fragen darauf achten, dass die Beschuldigten in ihrem mündlichen Geständnis den Ablauf der Tat mit ihren eigenen Worten schildern – wobei Beschuldigte hier oft die von den VernehmerInnen in den Stufen zwei bis sechs präsentierten Tathypothesen und -abläufe wiedergeben, wie Recherchen von US-amerikanischen KriminologInnen und JournalistInnen sowie einzelne höchstrichterliche Urteile nachgewiesen haben.

In Stufe neun, den „Elements of a Written Confession“ – Elemente eines schriftlichen Geständnisses, geht es dann um die schriftliche Protokollierung sowohl des Geständnisses als auch des Nachweises, dass es sich um ein freiwilliges Geständnis handelt.

 

Eine „tektonische Verschiebung“ in den USA

Die Liste der KundInnen und Referenzen auf der Firmenwebsite von „John E. Reid & Associates“ liest sich wie ein Who-is-Who der Strafverfolgungs- und Sicherheitscommunity: von Air Force, dem Auslandsgeheimdienst CIA, der auf die Verfolgung von Drogenkriminalität spezialisierten Drug Enforcement Administration (DEA), den

Polizeibehörden u.a. von Chicago, Boston, Alaska, Illinois und Philadelphia über das Ausbildungszentrum des FBI bis hin zu den Navy Seals und dem US-Marine Corps und zahlreichen multinationalen Unternehmen. 

 

Es gibt scheinbar kaum eine Institution, die MitarbeiterInnen nicht in der Reid-Verhörtechnik geschult hat. Erst seit wenigen Jahren wird dies nicht mehr nur von StrafverteidigerInnen und KriminologInnen, sondern auch von US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden und in den Medien kritisch diskutiert. 

Dazu beigetragen haben mehrere spektakuläre Freisprüche von unschuldig Verurteilten, die unter Anwendung von Vernehmungstechniken aus der Reid-Methode falsche Geständnisse abgelegt hatten. 


Weil die Betroffenen zum Teil jahrzehntelang in Haft saßen, fielen Entschädigungen in Millionenhöhe an. 

 

Beispielhaft ist etwa der Fall von Darrell Parker, der nach dem Mord an seiner Ehefrau 1955 von Firmengründer John E. Reid persönlich vernommen worden war. Parker legte schließlich ein Geständnis ab und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. John E. Reid baute seinen Mythos als „super cop“ und seine Karriere weitgehend auf diesem Fall auf. 

Parker wurde schließlich 1991 offiziell für unschuldig erklärt. Doch erst 2011 entschuldigte sich auch der Generalstaatsanwalt von Illinois öffentlich bei Parker, nachdem Forenische Beweise in Form von DNA-Tests eindeutig nachgewiesen hatten, dass ein falsches Geständnis erzwungen worden war und Parker den Mord nicht begangen hatte. Parker erhielt 500.000 US-Dollar Haftentschädigung.

 

Die höchste Entschädigung in ihrer Geschichte – zwei Millionen US-Dollar – musste die Firma John E. Reid & Associates im März 2015 dem heute 46-jährigen Juan Rivera zahlen. Insgesamt erhielt Rivera knapp 20 Millionen US - Dollar Entschädigung.

Juan Rivera war 1993 als 19-Jäh­riger für einen Mord an einem elfjährigen Mädchen im Bundesstaat Illinois zu lebenslanger Haft verurteilt worden, nachdem er im Hauptquartier der Firma John E. Reid & Associates in Chicago befragt, Lügendetektortests unterzogen und so lange vernommen worden war, bis er ein Geständnis unterschrieb.


Obwohl Riveras Verteidiger dessen Unschuld schon 2009 mit Hilfe von DNA-Beweisen nachweisen konnten, dauerte es insgesamt zwanzig Jahre bis zu seinem rechtskräftigen Freispruch und zur Haftentlassung. Der Fall Juan Rivera ist auch deshalb von großer Bedeutung, weil mehrere der an den Vernehmungen beteiligten Polizeibeamten in der Reid-Methode geschult worden waren und Juan Rivera sein „Geständnis“ abgelegt hatte, nachdem ein Mitarbeiter der Firma John E. Reid & Associates den 19-Jährigen, nach viertägiger Dauervernehmung nach der Reid - Methode, dazu brachte ein Geständnis zu unterschreiben.

 

Die Entscheidung des Berufungsgerichts von Illinois, das Rivera im Dezember 2011 freisprach, ist auch deswegen so bedeutsam, weil das Gericht eindeutig den fatalen Einfluss von zwei zentralen Aspekten der Reid-Methode aufzeigt: zum einen, dass die VernehmerInnen der beschuldigten Person wahrheitswidrig das Vorhandensein von belastendem Beweismaterial vortäuschen, und zum anderen, dass sie Ihm zwei Varianten der Tatbegehung quasi in den Mund legen.

 

Mittlerweile sind die Zweifel an der Wirksamkeit der Reid-Methode bzw. die Angst vor falschen Geständnissen und den damit verbundenen Folgen – straffreie TäterInnen begehen weitere schwere Straftaten, unschuldig Verurteilte erhalten eventuell hohe Entschädigungssummen – in den USA derart gewachsen, dass eine der größten

Beratungsfirmen für US-Po­li­zeibehörden, Wicklander-Zulawski & Associates, im Juli 2017 öffentlich erklärte, man untersuche ob die Reid-Methode nach 33 Jahren aus dem Lehrplan für KommissarInnen gestrichen werden sollte.

Das „Marshall Project“, dessen AnwältInnen in zahlreichen Fällen unschuldig Verurteilte vertreten, die zumeist aufgrund ihrer Herkunft bzw. ihres gesellschaftlichen Status und/oder ihrer Hautfarbe im erstinstanzlichen Verfahren keinen Zugang zu adäquater Verteidigung hatten, bezeichnete diese Entscheidung als „tektonisches Veränderung“ in der Strafverfolgungs-Community.

 

Reaktionen in Deutschland – widersprüchlich

Die Auseinandersetzung mit den Spuren der Reid-Methode in Deutschland befindet sich allenfalls am Anfang. In den Ausbildungsunterlagen der Bundespolizei wird die Reid-Methode noch als eine von mehreren Vernehmungsmethoden wie folgt erwähnt:

„Ziel der Reid-Methode ist es, durch einen strukturierten Aufbau der Vernehmung den Täter auf Grund seines verbalen, non-verbalen und paralinguistischen Verhaltens von einer unschuldigen Person zu unterscheiden, teilweise durch Angaben von Unwahrheiten“.

 

Die Verwender der Methode behaupten zwar, dass diese in Deutschland lediglich abgewandelt und entsprechend der deutschen Strafprozessordnung (StPO) genutzt werde – fraglich ist, wie das funktionieren soll, wenn mit Druck, Ermüdung und falschen Beweismitteln gearbeitet wird.

Der § 136a StPO verbietet als Konkretisierung der in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG verfassungsrechtlich garantierten Menschenwürde das bewusste Täuschen des Beschuldigten bei der Vernehmung, ebenso verbietet dieser eine Einschränkung der freien Willensentschließung und das bewusste Ausnutzen von Ermüdung oder Drohungen gegenüber dem Beschuldigten. Damit bleibt für die Reid-Methode kein Spielraum – zumindest nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes.

Auf der anderen Seite ist es meist nahezu unmöglich, die faktische Wirkung eines abgegebenen Geständnisses zu widerlegen. 

Denn schließlich schreiben die Beamten nicht unbedingt in deren Vernehmungsprotokoll, wie genau sie den Beschuldigten zu der Einlassung gebracht haben. In den meisten Fällen wird nur die Uhrzeit und Länge der Vernehmung auf unzulässige Techniken hinweisen. Ermüdung allein ist aber für das Gericht nicht vollständig überzeugend.

 

Eine ausführliche Darstellung aus kriminologischer Sicht – vor dem Hintergrund der Strafprozessordnung, die die Verwendung von falschen Vorhalten untersagt – und eine kritische Auseinandersetzung mit den vermeintlichen Verhaltenskategorien, nach denen „Schuldige“ von „Unschuldigen“ unterschieden werden können, findet sich etwa in der 2010 von der Deutschen Gesellschaft für Kriminalistik ausgezeichneten Masterarbeit des langjährigen 

 

Polizeipräsidenten von Schwäbisch-Hall, Ottmar Kroll, und in einem Aufsatz, den Kroll 2016 zusammen mit dem Kriminologen Thomas Feltes im „Behördenmagazin“ veröffentlichte. KrimLex

 

Darin kommen die Autoren zu dem Schluss; Zitat: „Viele Kritikpunkte … an der Reid-Methode bezüglich ihrer wissenschaftlichen Evaluation der Lügensymptome und extremer Beeinflussung der Aussagepersonen erscheinen berechtigt. Es fehlen bislang auch experimentelle bzw. empirische Belege dafür, dass die Reid-Methode zu besseren Ergebnissen führt als eine polizeiliche Standardvernehmung.“

 

Sowohl „aus rechtlichen als auch vernehmungspsychologischen Aspekten“ handele es sich bei der Reid-Methode „um ein Vorgehen, das in Deutschland in ihrer Gesamtheit so nicht zulässig ist und eine Umsetzung in die polizeiliche Praxis unterbleiben sollte.“ Auch „die Bundesregierung sieht die Reid-Methode im Hinblick auf § 136a der Strafprozessordnung (StPO) kritisch“, erklärte das Bundesinnenministerium im Mai 2014.

 

Mitarbeiter­Innen von Bundesbehörden seien nicht in der Methode geschult worden und Bundesbehörden würden diese Methode auch nicht anwenden. Es darf allerdings bezweifelt werden, dass es zum Lehren der extra für Deutschland angepassten Methodik noch amerikanische Dozenten braucht:

 

„Verhaltens-Analyse-Interview“ - klingt doch auch viel netter.

 

In Bayern wurden zwischen 1999 und 2002 mehr als einhundert BeamtInnen in der Reid-Methode geschult. Knapp einhundert von ihnen waren im Jahr 2019 noch im aktiven Dienst. KritikerInnen werfen der bayerischen Landesregierung vor, in mindestens zwei zentralen Fällen, in denen bayerische Ermittlungen nachweislich fatale Konsequenzen hatten, seien

 

BeamtInnen in den jeweiligen Mordkommissionen eingesetzt worden, die an Reid-Schulungen teilgenommen hatten: im Fall der sogenannten Česká-Mordserie und in der SoKo Peggy II, die die Ermittlungen zu der im Mai 2001 verschwundenen neunjährigen Peggy K. im Jahr darauf durch ein „Geständnis“ des geistig behinderten Tatverdächtigen Ulvi K. zu einem scheinbar erfolgreichen Abschluss gebracht hatte.

 

(Die Leiche des Mädchens aus dem oberfränkischen Lichtenberg wurde erst 2016 gefunden.) Von Februar bis Oktober 2002 leitete Kriminaldirektor Wolfgang Geier die SoKo Peggy II.

 

Kurz nach dem „Abschluss“ im Fall Peggy wurde er Chef der Kriminaldirektion Nürnberg und leitete von 2005 bis 2008 dann auch die „BAO Bosporus“, die die bundesweite Koordinierung der Mordkommissionen in den Tatortstädten der Česká-Mordserie innehatte. Drei weitere Beamte waren an den Ermittlungen in beiden Fällen beteiligt. Ein Nachweis dafür, dass Wolfgang Geier selbst an Reid-Schulungen teilgenommen hätte, liegt nicht vor.

 

Türöffner für Schulungen in der sogenannten „Reid-Methode“ in Deutschland war der damalige Chef der Mordkommission beim Polizeipräsidium München, Udo Nagel, der im Januar 2002 von dem seinerzeitigen rechtspopulistischen Innensenator Ronald Schill zum Polizeipräsidenten von Hamburg berufen wurde. Auf Initiative des Polizeipräsidiums München fand „1999 eine Präsentation für Befragungs- und Vernehmungstechnik nach ‚Reid‘“ statt, teilte die Bayerische Staatsregierung im August 2014 mit. 

 

An dieser Präsentation hätten „neben Angehörigen des Polizeipräsidiums München auch Beamte/Beamtinnen der regionalen Präsidien, des Bayerischen Landeskriminalamtes und des Fortbildungsinstitutes der Bayerischen Polizei teilgenommen.“ Die Veranstaltung sei „als sehr gewinnbringend bewertet und die bayernweite Umsetzung empfohlen“ worden.

 

In den Jahren 2001 und 2002 fanden jeweils drei Seminare statt. 2001 wurden insgesamt 56, 2002 60 TeilnehmerInnen geschult. Darunter waren auch BeamtInnen, die an den Ermittlungen zur NSU-Mordserie beteiligt waren, wie das Bayrische Innenministerium einräumt: „Aus den hier verfügbaren Unterlagen geht hervor, dass einzelne Beamte, die zur BAO Bosporus oder einer ihrer Vorläuferorganisationen abgeordnet waren, im Jahr 2001 bzw. 2002 an den Seminaren zur REID-Vernehmungstechnik teilgenommen haben.“

 

Eine deutschsprachige Trainerin der Chicagoer Mutterfirma John E. Reid Associates leitete die Kurse. Zu den Kursinhalten äußerte sich die Bayrische Staatsregierung nur vage: Diese seien „von der Reid© Inc. in folgende Abschnitte gegliedert worden:

 

1. Vorbereitung 2. Gesetzliche Aspekte bei Befragungen, Vernehmungen und Geständnissen 3. Verhaltensmerkmale 4. Reid Behavioral Analysis Interviews (BAI) Befragung zur Verhaltensanalyse 5. Die neun Stufen der REID-Vernehmung.“

 

Knapp 40.000 Euro zahlte der Freistaat dafür an John E. Reid & Associates. Nicht etwa wegen fachlicher oder rechtlicher Bedenken, sondern weil die Firma nach 2002 keine deutschsprachigen Lehrenden mehr zur Verfügung stellen konnte, wurde die Zusammenarbeit dann beendet. Das Fortbildungsinstitut der Bayrischen Polizei hatte schon Reid-Seminare bis ins Jahr 2005 geplant.

 

Eine strukturierte Evaluation der Konsequenzen, die diese Schulungen der bayerischen BeamtInnen in der Praxis hatten, hat bis heute nicht stattgefunden – das musste auch die Bayerische Staatsregierung einräumen. Mehr noch, die deutschsprachige Diskussion über die Reid-Me­tho­de setzt sich nicht mit der Frage auseinander, welchen Anteil diese Methode –

 

die in den USA insbesondere bei Beschuldigten, die aus gesellschaftlichen Minderheiten und/oder armen Verhältnissen stammen „Erfolge“ verzeichnet – an dem Scheitern der aufwendigen Ermittlungen im Fall Peggy K. und der NSU-Mordserie, insbesondere an den entwürdigenden, stigmatisierenden, von rassistischen Vorurteilen geleiteten und kriminalisierenden Vernehmungen der Angehörigen der in Bayern ermordeten NSU-Mordopfer hatte.

 

Im Fall Peggy K. hat der Einsatz der Reid-Vernehmungsmethode nach Ansicht von ProzessbeobachterInnen wie dem Journalisten Christoph Lemmer dazu beigetragen, dass der lange Zeit als Hauptverdächtiger behandelte geistig behinderte Ulvi K. am 2. Juli 2002 ein falsches Geständnis ablegte, das am 30. April 2004 zu seiner Verurteilung wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe führte. 

 

Zehn Jahre später erstritt Ulvi K.’s neuer Anwalt, der Frankfurter Strafverteidiger Michael Euler, vor dem Landgericht Bayreuth einen spektakulären Freispruch für Ulvi K. „Ein Tatnachweis“ sei „nicht möglich“, befand das Gericht. „Bis zum heutigen Tag“ sei „kein einziger Sachbeweis für das damalige Geständnis von Ulvi K. gefunden worden.“ Im Wiederaufnahmeverfahren waren auch die auffälligen Parallelen zwischen der Tathergangshypothese der ErmittlerInnen der SoKo Peggy II und dem späteren angeblichen Geständnis von Ulvi K. ausführlich diskutiert worden.

 

Zwar erklärte die Bayerische Staatsregierung im März 2014, dass die BeamtInnen, die Ulvi K. verhört hatten, nicht in der Reid- und/oder in einer daran angelehnten/abgewandelten Methode geschult worden seien. Eine solche Methode sei auch nicht an Ulvi K. angewendet worden. Allerdings lässt die Antwort erheblichen Interpretationsspielraum.

 

Christoph Lemmer, ein Journalist und Mitautor eines der Standardwerke zum „Fall Peggy“, kritisierte dagegen im November 2011 in einem Interview: „Ausgerechnet der geistig Behinderte Ulvi K., der vor neun Jahren für den Mord an Peggy verurteilt worden ist, war einer der Ersten, bei denen die bayerische Polizei die fragwürdige Reid-Methode angewandt hat …

 

Interessant ist insgesamt vor allem, wie beharrlich der Soko-Leiter selbst deutliche und überzeugende Gegenbeweise ignorierte. Was in seine Theorie passte, fügte er in das Gerüst seiner Ermittlungen ein. Passte etwas nicht, wurde es aussortiert.“

 

Fragt man Michael Euler, Ulvi K.’s Verteidiger, nach der Reid-Methode und deren Anwendung im Fall seines Mandanten, fällt die Bewertung zurückhaltender aus. „Die Reid-Methode, so wie sie lizensiert ist, findet mit Sicherheit in Deutschland keine Anwendung“, sagt der Strafverteidiger. „Aber Elemente daraus finden sich in Vernehmungen von Beschuldigten durchaus wieder“. 

 

Euler betont, dass auch die Auswertung von Vernehmungsprotokollen keineswegs immer präzise Antworten auf diese Frage geben würde. Schließlich seien die allermeisten Vernehmungsprotokolle keine Wortprotokolle, die Wortwahl insbesondere bei „einfach gestrickten Beschuldigten“ sei oft die Wortwahl der vernehmenden BeamtInnen und offensichtliche Täuschungen – gerade wenn sie als Fragen formuliert würden – würden ohnehin nicht zu Protokoll genommen. 

 

Euler betont auch, dass gerade die psychologischen Tricks und die Druck- und Einschüchterungselemente etwa der Reid-Methode vor allem „bei Verdächtigen, die sich nicht wehren können“, zu Geständnissen führen können. 

 

Zu den nach § 136a StPO verbotenen Vernehmungsmethoden zählt explizit die Täuschung. Im NSU-Kontext haben die bayerischen Ermittler offenbar auch die Grauzone rings um den § 136a StPO ausgelotet. Hinterbliebene – darunter Adile Þimþek, die Witwe des ersten NSU-Mord­opfers und erfolgreichen Blumengroßhändlers Enver Þimþek, sowie Yvonne Boulgarides,

 

die Witwe des im Juni 2005 in München ermordeten Schlüsseldienstinhabers und siebten NSU-Mordopfers Theodoros Boulgarides – haben beschrieben, wie ihnen von den bayerischen Ermittlern Fotos einer ihnen unbekannten blonden Frau vorgelegt wurden – mit der Behauptung, ihre ermordeten Ehemänner hätten jeweils ein außereheliches Verhältnis mit dieser Frau gehabt. Semiya Þimþek beschreibt die nahezu buchstabengetreue Anwendung der Reid-Methode gegen ihre Mutter in erschütternden Details:

 

„Irgendwann erzählten sie uns, dass mein Vater noch eine zweite Familie gehabt hätte. Angeblich eine deutsche Frau – blond soll sie gewesen sein –, mit der er ebenfalls zwei Kinder hätte. Sie zeigten meiner Mutter sogar Fotos: Schauen Sie, Ihr Mann war mit dieser Frau zusammen. Auch diese bizarre Szene wiederholte sich, die Polizisten erzählten immer wieder, dass Vater andere Frauen hatte. Meine Mutter fiel darauf nicht herein, sie hat das nie geglaubt und antwortete: Wenn das stimmt, können seine anderen Kinder bei uns wohnen, 

 

und die Frau kann auch zu uns ziehen. Das sind dann auch meine Kinder, unser Haus ist ihr Haus. Die Polizei hat wohl einfach ausgetestet, wie wir reagieren. Einer von ihnen räumte lange nach einer dieser Vernehmungen ein, dass es nur ein Versuch war, reine Taktik. Er redete meiner Mutter zu, sie solle ihren Mann genauso in Erinnerung behalten, wie sie ihn kannte. Ihnen sei es nur darum gegangen, die Möglichkeiten abzuklopfen, sie zu verunsichern, herauszufinden, ob sie, mit solchen Behauptungen konfrontiert, etwas aussagt, das den Verdacht erhärtet.“

 

Yvonne Boulgarides reagierte – fünf Jahre und sechs Morde im gesamten Bundesgebiet später – auf die „Hypothese“ der Ermittler, eifersüchtige Ehefrauen hätten in Serie ihre treulosen Ehemänner mit der immer gleichen Tatwaffe ermordet, mit Fassungslosigkeit und Zorn. Auf die Unterstellung, sie selbst oder ein von ihr engagierter Killer hätten ihren geschiedenen Ehemann umgebracht, entgegnete sie: „Und damit es nicht auffällt, habe ich vorher sechs Türken ermordet?“

 

Die Ermittler vernahmen gezielt auch mehrere minderjährige Kinder der Ermordeten, wie die damals 14-jährige Semiya Þimþek sowie die 15-jährige Tochter von Yvonne Boulgarides, unmittelbar nach dem Tod ihrer Väter und ohne Beistand einer erwachsenen Bezugsperson.

Erst die Selbstenttarnung des NSU im November 2011 und dessen an Medien versandtes Bekennervideo haben zu einem Ende der über viele Jahre andauernden, quälenden Vernehmungen der Angehörigen der Mordopfer und Verletzten der Sprengstoffanschläge des NSU geführt.

 

Die Berliner Strafverteidigerin und Nebenklagevertreterin im NSU-Prozess, Antonia von der Behrens, kritisiert die Widersprüchlichkeit, mit der „die Reid-Methode in Deutschland diskutiert wird“. 

Bezeichnenderweise veröffentlichte das „Behördenmagazin“ in derselben Ausgabe, in der Ottmar Kroll und Thomas Feltes die Reid-Methode als völlig ungeeignet kritisieren, einen dreiseitigen „lupenreinen Werbeartikel“. 

Unter der Überschrift „Mit diesen Psychotricks arbeitet die Polizei“ wird sie dort als „erfolgreichste Vorhörtechnik weltweit“ gefeiert.

 

Das Bayerische Innenministerium hat sich zwar mittlerweile vorsichtig von deren Einsatz distanziert: „In der Literatur und verschiedenen Veröffentlichungen in Bezug auf Vernehmungstechniken seitens der Sozial­­wissenschaften und der Psychologie wurde die REID-Verneh­mungs­technik zunehmend kritisch gesehen. Aus Sicht des Fortbildungsinstituts der Bayerischen Polizei war es erforderlich, die Beamten der Bayerischen Polizei hinsichtlich Vernehmungen weiter zu qualifizieren, allerdings ohne die Firma Reid© Inc., da diese ab dem Jahr 2003 nicht mehr in der Lage war, einen deutschsprachigen Trainer zu stellen.“

 

Allerdings: Eine „Notwendigkeit einer gezielten Nachschulung der Teilnehmer der REID-Seminare“ sieht die Staatsregierung nicht. Schließlich seien „die Lehrinhalte auf deutsches Recht abgestimmt“ gewesen und hätten „den damaligen Erkenntnissen der Sozialwissenschaften und der Psychologie“ entsprochen. Ein Verbot der Anwendung der REID-Ver­nehmungstechnik jedoch habe es „aufgrund der Vereinbarkeit der Seminarinhalte mit dem deutschen Recht nicht“ gegeben.

 

Die Routinen des institutionellen Rassismus

Die Verweigerungshaltung, sich (selbst) kritisch mit der Ermittlungsführung auseinander zu setzen, betrifft im NSU-Komplex insbesondere den institutionellen Rassismus, der den Einsatz der Reid-Methode bzw. deren Elemente befördert. Nach der Definition der Macpherson-Kom­mis­sion, die Ende der 1990er Jahre die Mordermittlungen im Fall Stephen Lawrence untersuchte, liegt institutioneller Rassismus immer dann vor, wenn Institutionen 

 

wie die Polizei rassistische Zuordnungen übernehmen und daraus für die so markierten Menschen systematische Benachteiligungen folgen. Das bedeutet nicht, dass notwendigerweise alle Personen, die in diesen Institutionen arbeiten, selbst rassistische Absichten verfolgen. Der Rassismus ist stattdessen oft in Routinen und Regelungen eingewoben.

 

Letztendlich gestärkt werden die ErmittlerInnen und ihre Vorgesetzten in ihrer Verweigerungshaltung auch durch die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse: In keinem einzigen der zwölf Untersuchungs­aufträge war institutioneller Rassismus ein eigenständiger Punkt. Die Feststellung, dass institutioneller Rassismus zu den Kernpunkten staatlicher Mitverantwortung im NSU-Komplex gehört, bleibt bislang vor allem den

 

Betroffenen des NSU-Terrors und ihren NebenklagevertreterInnen sowie den Minderheiten- bzw. Sondervoten der jeweiligen Oppositionsfraktionen vorbehalten. Die Forderung der Betroffenen – die zahlreiche Bürger- und Menschenrechtsorganisationen wie das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIM) und Amnesty International unterstützen – nach einer umfassenden Auseinandersetzung mit institutionellem Rassismus in deutschen Ermittlungsbehörden – stößt bis heute auf eine Mauer der Abwehr.

 

Quellenlage:

Erforschungspflicht; vgl. Meyer-Goßner, StPO § 163 Rn. 1 []

Bender, Nack, Treuer: Tatsachenfeststellung vor Gericht, S. 257 []

Hamburger Abendblatt vom 15.07.2002; online abrufbar []

ebenfalls sehr ausführlich zur Reid-Methode: KrimLex – Kriminologie Lexikon der Ruhr-Universität Bochum []

Die Belehrung über die Selbstbelastungsfreiheit des Beschuldigten und das Recht auf die Hinzuziehung eines Verteidigers erfolgt noch in der freundlichen Smalltalk-Phase mit netten Worten, wie: Sie haben doch nichts zu verbergen, dann brauchen Sie doch auch keinen Strafverteidiger, oder? []

vgl. Holger Schmidt (SWR): Der “Zschäpe-Flüsterer” vom BKA und Osman Isfen: Markenrechtlich geschützte Vernehmungstechnik à la FBI und CIA, die “Reid-Methode” []

Ina Jung und Christoph Lemmer: „Der Fall Peggy“, Kapitel 26 „Wie die Kripo Geständnisse produziert“ []

st. Rspr. seit BGHSt 1, 376 (Urt. v. 30.10.1951 – 1 StR 393/51) []

vgl. nur Fachtagung des Bundes deutscher Kriminalbeamter „Technik und Taktik der Vernehmung“ unter Beteiligung eines Fachlehrers des Fortbildungsinstituts der bayerischen Polizei, wo laut KrimLex damals die ersten Reid-Seminare angeboten wurden. []

 vgl. Lex, A.: Kein Vertrauensvorschuss für diesen Rechtsstaat in Sachen Aufklärung der NSU-Verbrechen!, in: v.d. Behrens, A. (Hg.): Kein Schlusswort, Hamburg 2018, S. 22ff.
Stuttgarter Nachrichten v. 11.7.2013
vgl. Starr, D.: The Interview, in: The New Yorker Magazine, Dezember 2013, 
vgl. Starr, D.: The Interview, in: The New Yorker Magazine, Dezember 2013, www.newyorker.com/magazine/2013/12/09/the-interview-7
vgl. The Reid Technique of Interviewing and Interrogation, presented by Joseph P. Buckley, President John E. Reid & Associates, 2012,
Starr, D.: The Interview, a.a.O. (Fn. 3)
The Reid Technique … , a.a.O. (Fn. 4)
vgl. Starr: The Interview, a.a.O. (Fn. 3)
vgl. Appellate Court of Illinois, Second District: Urteil No. 2–09–1060; http://caselaw.findlaw.com/il-court-of-appeals/1588686.html
The Marshall Project: The Seismic Change in Police Interrogations, 3.7.2017, www.themarshallproject.org/2017/03/07/the-seismic-change-in-police-interrogations
vgl. Kroll, O.; Feltes, T.: Reid-Methode, in: Das Behördenmagazin 2016, Nr. 2, www.behoerdenmagazin.de/downloads/behoerdenmagazin-2-2016-web.pdf
Der schwarze Student Stephen Lawrence war im April 1993 in London ermordet worden. Die Ermittlungen verliefen im Sande, weil die Polizei den rassistischen Hintergrund der Tat ignorierte. Nach einer Kampagne der Eltern des Ermordeten setzte der britische Innenminister 1997 eine unabhängige Untersuchungskommission unter Vorsitz des ehemaligen Richters am Obersten Gerichtshof, William Macpherson, ein. 
https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/277111/4262.pdf
 vgl. „Our Partners include“ auf der Firmenhomepage: www.reid.com/r_about.html
 Schlusswort: 
Wie weiland der Bundestag elf Jahre lang  über ein Gesetz gegen politische Korruption nachgedacht hatte... 2014 hatte es das Parlament beschlossen. Aber es ist, milde ausgedrückt, wie schlechter Käse – viel Luft, wenig Substanz. Nur ein Abgeordneter, der sich extrem naiv anstellt, kann überhaupt bestraft werden.

Ein Jahrzehnt-Projekt - erledigt in einer Woche!

 

So schnell kann es gehen! Normalerweise klappt das nur, wenn es um Krieg und Frieden oder Terrorismus geht. Drängte hier am Ende ein ähnliches Maß an Bedrohung zur Eile? Ein Blick in die Plenarprotokolle klärt auf:

In den Aussprachen entfielen drei Viertel der Zeit auf die zugleich beratene Erhöhung der Abgeordnetenbezüge. Da ließ sich die Korruptionsbekämpfung schnell und lautlos miterledigen.

 

Nun also: Nach der neuen Vorschrift wird bestraft, wer als Mitglied einer Volksvertretung mittels konkreter Vereinbarung "einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten" dafür fordert, vereinbart oder annimmt, dass er in Ausübung seines Mandats eine Handlung "im Auftrag oder auf Weisung" vornehme oder unterlasse, spiegelbildlich, wer einem Mandatsträger einen solchen Vorteil anbietet oder gewährt.

 

Das klingt zunächst ganz gut. Dass es in der Substanz gut sei, wird man aber kaum behaupten können. Dazu verbergen sich im Wortlaut zu viel offenkundig abgründige Vorbehalte, turmhohe Strafbarkeitsschwellen und geradezu planmäßig wirkende Beweisschwierigkeiten. 

 

Die nachdrücklichen Einwände, die mehrere der Sachverständigen gegen die Wirksamkeit der neuen Regelung erhoben hatten, blieben sämtlich unberücksichtigt. Die beiden wichtigsten betreffen die Fragen, was denn wohl unter "ungerechtfertigt" zu verstehen und was mit einem Handeln nach "Auftrag oder Weisung" gemeint ist.

 

Zu Ersterem erklärt uns das Gesetz: Der Vorteil sei in keinem Fall ungerechtfertigt, wenn seine Annahme entweder den Vorschriften über die Rechtsstellung von Abgeordneten oder den "parlamentarischen Gepflogenheiten" entspreche. Merke: Rechtmäßig ist, was irgendwie erlaubt und was schon heute üblich ist. Von solchen Korruptionsgesetzen können die Baubranche und die Exportwirtschaft nur träumen. Danke, Gesetzgeber!

 

Zur weiteren Absicherung gegen allzu ungezügelten Strafverfolgungswillen hat der Gesetzgeber ein paar Beispiele eingefügt. Die machen die Abgründe plastisch: Ausdrücklich ist im Gesetz angeordnet, dass "ein Mandat", eine "politische Funktion" sowie eine "zulässige Spende" in keinem Fall rechtswidrige Bestechungs-Vorteile seien.

 

Da diese Vorteile also schon von Gesetzes wegen niemals "unrechtmäßig" sein können, darf ein Abgeordneter – beispielsweise – straffrei für sich oder eine andere Person einen Posten als Staatssekretär oder Minister fordern (oder annehmen) als Gegenleistung für seine Zusage, bei der Wahrnehmung seines Mandats Handlungen

 

(zum Beispiel Abstimmungen) nach Weisung des Vorteilsgebers vorzunehmen. Was würde das deutsche Parlament wohl sagen, wenn ein solcher Tatbestand von der Türkei oder von Russland präsentiert würde – als Beleg für vorbildliche Korruptionsbekämpfung?

 

Nachträgliche "Belohnungen", also Vorteile, die erst nach der Vornahme der Handlungen zugewandt werden, sind vom Wortlaut nur dann erfasst, wenn sie schon vor der Handlung vereinbart worden sind. Wer das jemals beweisen kann, dürfte zum Ermittler des Jahres gewählt werden. In allen anderen Fällen, wenn also die Vereinbarung – sagen wir: zufällig – erst später zustande kommt, sind die eigentlich ungerechtfertigten Vorteile vollständig straflos.

 

"Auftrag" und "Weisung" schließlich sind Begriffe, hinter denen sich Führung und Kontrolle durch den Auftrag- oder Weisungsgeber verbergen. Umgekehrt heißt das: Wo ernst zu nehmende Reste von Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit bleiben oder auch nur unwiderlegbar behauptet werden, erfolgt die Handlung nicht "auf Weisung". Eine Bestrafung für Mandatsträger dürfte daher auch hier in Zukunft

 

allenfalls einige Dumme treffen, die es versäumten, lauthals zu versichern, auf Weisung des Vorteilsgebers noch einmal ganz unabhängig über dessen Argumente nachdenken zu wollen. Denn gehören nicht Perspektivenschärfung 

 

und wohlbegründeter Meinungswechsel zum Wesen des Abgeordnetenamts? Und wer kennt schon die Wege und Qualen des Gewissens, wenn es um die vierzigste Änderungsverordnung zur Außenwirtschaftsverordnung oder um die zwanzigste Novelle der Anlage zum Arzneimittelgesetz geht?

 

Am Ende bleibt: Der neue Tatbestand ist nicht der behauptete große Wurf geworden, sondern Käse minderer Qualität – viel Luft, wenig Substanz. Die Löcher machen 95 Prozent des Volumens aus. So endet auch diesmal der Sprung in die weite Welt in den üblichen engen Tälern.

 

Die Lobbyisten werden jubeln

Das ist eine gute Nachricht für die Marionettenspieler: Sichergestellt ist, dass Bereiche der "Lobby-Arbeit", der Zuwendungen für "gutes Klima", für "erfreuliche" politische Meinungen, der nachträglichen Belohnung, der "Posten"-Korruption und so weiter von vornherein vom Gesetz nicht erfasst werden. Das alles bleibt strafrechtlich erlaubt.

 

Zum Abschluss des Gesetzeswerks erwartet uns noch eine Überraschung: Zuständig für alle Verfahren nach dem neuen Paragrafen 108 e sind allein die Oberlandesgerichte und die Generalstaatsanwaltschaften. Strafverfahren gegen Gemeinderäte, die zwei Kisten Wein als Gegenleistung dafür angenommen haben, dass sie demnächst für die Verlängerung einer den Winzer begünstigenden Satzung stimmen, werden so den Verfahren gegen Hochverräter, Kriegsverbrecher und Terroristen gleichgestellt.

 

Man darf wohl sagen: Gewiss nicht, weil sie so schwierig wären. Die Begründung, sämtliche etwa 200.000 Mandatsträger in den deutschen Parlamenten seien selbst in den Niederungen von Hostessen-Clubs, Schmiergeld-Kuverts und Posten-Geschacher dermaßen bedeutend, dass ihre gelegentlichen Erbärmlichkeiten die Aufmerksamkeit nur der allerhöchsten Gerichte verdienten, ist so großspurig wie albern. Und doch gibt es einen Grund, der sich aus dem Effekt erschließt: 

 

Die exklusive Zuständigkeit haucht den Taten vom Ende her den Atem des Extraordinären, Staatserschütternden, "sensibel" zu Handhabenden ein. Die Sorge der Abgeordneten, es könne von einer ganz normalen deutschen Staatsanwaltschaft einmal die Unschuldsvermutung ein bisschen zu früh außer Acht gelassen werden, muss sehr groß gewesen sein.

 

Brave Bürger und ihr "gutes Recht"

Die Bürger wollen von all diesen komplizierten Einzelheiten leider nichts Genaues wissen. Sie lesen das Gesetz nicht, das für sie und in ihrem Namen gemacht ist. Sie finden es zu schwierig, obgleich sie zugleich bereitwillig mit hohem Aufwand jede Art von Wissen aufsaugen, dessen Beherrschung ihnen Teilhabe an der gerade herrschenden Meinung oder Subkultur suggeriert. 

 

Sie jammern gern über diese (selbst verschuldete) Unwissenheit und sind doch auch irgendwie stolz darauf, als offenbare sich in ihr eine Art von praktischer Lebensklugheit. Und streiten, zur Belustigung der Juristen, unablässig mit sich und der ganzen Welt um ihr angeblich "gutes Recht".

 

Vielfach gelten Bemühungen um ein Verständnis unseres Rechtssystems dem common sense als "überflüssig", als vergeudete Lebenskraft, als Bestätigung der Nutzlosigkeit des eigenen Lebens vor den Toren der Gerechtigkeit. In Franz Kafkas Text Vor dem Gesetz wartet ein Mensch ewig vor dem Eingang zur Gerechtigkeit. In ihm erblickt der deutsche Bürger einen Bruder – freilich nur vom TV-Sessel aus, also

 

nicht in Verzweiflung, sondern in einer selbst zugemessenen Gnade der Vergeblichkeit. Der erträumte Tag der Freiheit wird daher nicht als Ausgang aus selbst verschuldeter Unmündigkeit imaginiert, sondern eher als siegreicher Gewaltausbruch. Hierfür freilich fehlen notorisch Talent, Mut und Anlass. Daher lässt sich unterdessen recht bequem regieren.

 

Deutschland ist ein hoch entwickeltes Land mit einer gebildeten Bevölkerung, zahllosen Möglichkeiten der Teilhabe und einer beeindruckenden Rechtstreue der großen Mehrheit. Zwar werden unsere Ärzte weiterhin straflos von der Pharmaindustrie geschmiert, aber noch muss niemand Fakelaki bezahlen, um behandelt zu werden. 

 

Baugenehmigungen werden zu 99 Prozent nach Recht und Gesetz erteilt, auch wenn bei öffentlichen Bauvorhaben 5 Prozent der Bausumme korruptiv versickern. Korruption in der Justiz kommt praktisch gar nicht vor. Wir befinden uns also wahrlich nicht auf einem Niveau, auf dem Korruption den Staat und die Gesellschaft so durchdrungen hat, dass nichts mehr geht. Staaten, in denen dies der Fall ist, gibt es genug. Sie sind Beispiel dafür, wohin man es keinesfalls kommen lassen darf.

 

Sollte ein Land wie die Bundesrepublik nicht eine Strafvorschrift gegen die Bestechung und Bestechlichkeit von Abgeordneten haben, die ihren Namen verdient? Sie müsste sich bemühen, statt symbolischer Randbereiche, in denen sich nur außergewöhnlich einfältige Täter jemals strafbar machen können, die wirklichen Gefahrenbereiche und die schlauen Täter zu erfassen. 

 

Das gelingt dem Gesetzgeber, wenn es um andere Tätergruppen geht, häufig sehr gut. Das neue Gesetz hingegen ist für die intelligenten und gefährlichen Täter, die es ohne jeden Zweifel gibt, nicht mehr als ein Witz. Es bestätigt eine alte Regel:


Wenn die Wölfe Gesetze gegen die Wilderei machen, haben die Schafe (Bürger) nichts zu lachen. Wir leben in einer Wolfswelt, niemand kann das bestreiten.

Lobbyisten werden jubeln. - Armes Deutschland.